Archive for January 23rd, 2009

Non-believers

Friday, 23. January 2009

Da hat nun also der Mann aus Honolulu zu seinem Amtsantritt eine tatsächlich jeden denkenden und zugleich empfindsamen Menschen bewegende Rede gehalten, die man im vollständigen Wortlaut überall auf der Welt nachlesen kann – und die mir vorgestern in deutscher Übersetzung von meiner Tageszeitung zum Frühstück serviert wurde. (Süddeutsche Zeitung Nr. 16 v. 21. Januar 2009, S. 2.)

“We Have Chosen Hope Over Fear”. – „Wir haben die Hoffnung über die Furcht gestellt”. Unter diesem Titel kündigt der 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika einen Systemwandel, einen politischen Wetterwechsel, eine Rückkehr zu alten Tugenden, eine moralische Erneuerung der Weltmacht Nr. 1 an, die man nach den schier endlos scheinenden, bitter missglückten acht Amtsjahren seines Vorgängers kaum mehr für möglich gehalten hätte.

Ich bin meiner Tageszeitung noch heute dafür dankbar, dass sie mich früher als alle anderen Medien hierzulande darüber unterrichtete, welch vielversprechenden Kandidaten die Democratic Party da ins Rennen um die Präsidentschafts-Kandidatur geschickt hatte. Das dürfte wohl nun schon fast zwei Jahre her sein. Meinem Arbeitskollegen am gegenüberliegenden Schreibtisch – ich war da noch „in Arbeit” – rief ich damals zu: „Merken Sie sich mal den Namen Barack Obama. Das ist der nächste Präsident der USA.” Und später hoffte und bangte ich monatelang im kräftezehrenden Vorwahlkampf „meines” Kandidaten gegen seine Parteigenossin Hillary Clinton, gegen jene Frau, die ihrem Ehegatten, dem 42. Präsidenten der Weltmacht, den Blowjob mit seiner Praktikantin verziehen hatte, dass Barack Obama trotzdem und obwohl sein Name so fatal an den des Staatsfeinds Nr. 1, Osama bin Laden, erinnerte, schließlich den Sieg davontragen würde. Das ist nun alles Vergangenheit.

Was ich meiner Tageszeitung, der Süddeutschen, allerdings nie verzeihen werde, das ist ein Fauxpas, der außer mir vermutlich keinem ihrer Leser aufgefallen sein dürfte. Im Text der Obama-Rede hebt die SZ einige Passagen rot hervor, um ihre besondere Bedeutung in Marginalien zu kommentieren. Dass Barack Obama sein Land als „eine Nation von Christen und Muslimen, Juden und Hindus – und von Atheisten” bezeichnet, wertet die SZ-Redaktion, wohl zu Recht, als „Novum in einer Inaugurationsrede. Obama zählt auch die Muslime, Juden, Hindus und Atheisten zu den Bürgern, welche die Grundlage der amerikanischen Nation bilden.”

Mal abgesehen davon, dass Obama die fünfte Weltreligion, den Buddhismus, in seine Aufzählung nicht aufnahm und somit auch den Dalai Lama brüskiert haben dürfte, befremdet mich, dass meine Frühstückszeitung die believer in fettem Rot hervorhebt, die non-believer hingegen in tristem Schwarz belässt [s. Titelbild]. Da war offenbar in der Schlussredaktion der SZ ein Praktikant zugange, der sonntäglich den Klingelbeutel durch St. Peter trägt.