Archive for the ‘Kistenflimmer’ Category

Rote Giftquallen

Saturday, 14. January 2012

(Bild wegen ungeklärter Rechte entfernt)

Zum Babysitting bei der Tochter. Wir schauen nach langer, langer Zeit mal wieder „Glotze pur“, also nicht in konservierter Form ausgewählte Edelkulturstreifen bei ARTE+7, sondern einmal die Programme rauf und runter in Echtzeit. Unkulturschock! Völlige Desorientierung. Taste 1 ARD: Wir stolpern in eine Verfolgungsjagd mit wilden Schusswechseln, deren Ergebnis dank schneller Schnittwechsel jeweils ungewiss bleibt. Sind die Gliedmaßen der bösen Häscher nun zerfetzt worden, oder waren das bloß Streifschüsse? Der Held kommt mir von irgendwo bekannt vor und ich frage meine Gefährtin: „Ist das nicht James Bond?“ Nachträglich lese ich in der Programmankündigung der SZ: Es war James Bond, aber eine spätere Folge, mit Pierce Brosnan, um genau zu sein von 1999, also aus einer Zeit, als ich aus dem Alter längst raus war, dem Betrachten solcher Filme wenigstens noch einen ironischen Genuss abgewinnen zu können. Zielgruppe: kleine und große Jungs. – Taste 2 ZDF: Auch hier ein Film aus dem Genre Verbechensverfolgung, aber diesmal deutsche Hausmannskost. Da menschelt es gewaltig. Die altersweise Schwiegermutter, Typ Inge Meysel, nur intelligenter, übt sich am Küchentisch als Seelentrösterin für ein ungewollt schwanger gewordenes Nervenbündel, das dann das Kind verloren hat und nun auch noch den Beinahevater einzubüßen droht. Tränenreiche Bekenntnisse. Zielgruppe junge Mädchen und Omas. – Taste 3 RTL: Hier erinnere ich mich nur an eine unsägliche Alberei auf einer Bühne, aber der Eindruck war zu kurz, denn meine Gefährtin forderte unmissverständlich: „Mach das weg! Das ist ja schrecklich!“ Jetzt lese ich, dass es sich um „eine Auswahl der besten, aber auch schrägsten Auftritte“ aus der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ handelte. Ich wusste immer nicht, was das eigentlich ist. Jetzt ahne ich es immerhin. Zielgruppe: Peinlichkeitsliebhaber. – Taste 4 SAT 1: Ein Besuch im Krankenhaus. Das dickliche Opfer liegt mit Beatmungsschläuchen hilflos auf der Intensivstation, der böse Doktor am Fußende verweigert ihm die Behandlung mit dem rettenden Antidot gegen einen absolut tödlichen Virus, der in wenigen Stunden den keuchenden Dicken dahinraffen wird. Die Zeit läuft! „Mission Impossible II“. Zielgruppe: Masochisten und SciFi-Fans. – Taste 5 Pro Sieben: Hier haben wir mal Glück und stolpern nicht mitten hinein in den Schlamassel, sondern bekommen ihn von Anfang an mit. Es heißt „Shopping-Center King – Hier gilt mein Gesetz“ und läuft unter Komödie, soll uns also zum Lachen bringen. Nachdem ich mir zehn Minuten lang vorgestellt habe, welch Geistes Kind die Menschen sein müssen, die über diesen Klamauk von der allerbilligsten Sorte lachen können, war ich sehr traurig und hätte am liebsten das Experiment ganz abgebrochen. Zielgruppe: Naive, Debile und Betrunkene. – Taste 6 Vox: Nun sehen wir kämpfende Männer aus offenbar ferner Vergangenheit. Sie schleichen mit Pfeil und Bogen durch den dunklen Forst. Einer legt auf eine Hirschkuh an und ich beginne zu fürchten, dass für diesen Film ein unschuldiges Tier dran glauben musste, aber nach einem blitzschnellen Durcheinander bleibt gottlob nur einer der Recken auf der Strecke. Dann geht ’s hinaus aufs offene Feld, wo sich zwei ungleich bewaffnete Heere gegenüberstehen. Der Aufwand an Statisten, Pferden und Kostümen nötigt uns Bewunderung ab, die traurige Schlichtheit der Dialoge macht diesen Eindruck leider bald wieder zunichte. Wir sahen einen Ausschnitt aus „Braveheart“. Zielgruppe: historisch interessierte Melancholiker. – Taste 7 Arte: Womit wir also doch wieder bei „unserem“ Sender wären. Hier tauchen wir in die Tiefsee und erfahren in hektischer Schnittfolge tausenderlei über Eisbären, Wale, Eiszeiten, Warmzeiten, Bohrkerne, Expeditionen, Fischfang, Thunfisch, rote Giftquallen, globale Erwärmung usw. Vorgetragen wird dies von Bestseller-Autor Frank Schätzing (Der Schwarm), der mittels beeindruckender Trickanimation raketenartig durch die Lüfte fliegt. Fazit der dreiteiligen Lehrsendung „Universum der Ozeane – Geheimnisse der Tiefsee“: Der Mensch versündigt sich auf vielfache Weise an der Natur, aber auf ebenso vielfache Weise ersinnt er stets neue Möglichkeiten der Schadensbegrenzung. Und überhaupt muss man angesichts von Jahrmillionen Evolution in größeren Zeiträumen denken. Zielgruppe: Der beunruhigte Intellektuelle, der als Betthupferl ein buntes Trostpflästerchen benötigt. Unser Resümee dieses aufschlussreichen Fernsehabends: Uns entgeht hier nichts! Und insofern ist es eine Unverschämtheit, wenn wir ab 2013 gezwungen werden, die volle GEZ-Gebühr zu entrichten, obwohl wir nach wie vor auf das TV-Programm dankend verzichten wollen und uns auch fürderhin kein Bildfunkgerät zulegen werden.

TV B Gone

Tuesday, 16. August 2011

Dieser Tage machte mein Herz vor Begeisterung einen kleinen Hüpfer. (Zu richtigen Sprüngen kommt es ja in diesen Endzeitjahren nur noch sehr, sehr selten.) Ich las in einem Bericht über das Sommercamp des Chaos Computer Clubs auf dem ehemaligen sowjetischen Flugplatz Finowfurt im brandenburgischen Niemandsland, dass es jetzt einen elektronischen Zauberstab namens TV B Gone gebe, mit dem man sämtliche Fernseher im Umkreis von hundert Metern gleichzeitig ausschalten könne! (Vgl. Frederik Obermaier: Unter Nerds; in: Süddeutsche Zeitung Nr. 186 v. 13./14./15. August 2011, S. 12.)

,Das musst du haben!‘, dachte ich gleich und recherchierte nach Bezugsquellen. Ich stieß auf zwei verschiedene Produkte. Erstens gibt es da einen schwarzen Schlüsselanhänger dieses Namens, der auf Knopfdruck nahezu jedes europäische Fernsehgerät ausschaltet, indem er in knapp einer Minute fast alle bekannten Ausschalt-Codes nacheinander per Infrarot sendet. Die Reichweite dieses „Ausschalt-Allrounders der 4. Generation“ beträgt allerdings lediglich drei bis fünf Meter. (Der Preis schwankt je nach Anbieter zwischen 9,90 € und 24,90 €.) Das zweite TV-B-Gone ist ein Bausatz aus 20 Teilen, zu dessen Montage etwas Zeit und Geschicklichkeit, ein Lötkolben, Lötzinn, ein Multimeter und eine Kneifzange erforderlich sind. Dieses Gerät ist viel stärker als die zuvor beschriebene Version, seine Reichweite beträgt mehr als 40 Meter, gelegentlich ist sogar von „bis zu 110 Meter“ die Rede. (Preis zwischen 16,95 € und 34,95 €.)

Nun stellte ich mir vor, allabendlich zur Hauptsendezeit mit meinem Handmade-TV-B-Gone einen Gang durch die Gemeinde zu machen und dabei alle hundert Meter den Glotzern ringsum eine überraschende kleine Sendepause zu verordnen. Schadenfreude? Ach, was! Bloß die Verzweiflungstat eines einsamen Bildfunkabstinenzlers, der wenigstens durch diese harmlose Harlekinade seine Verzweiflung über die Allmacht des medialen Tranquilizers zum Ausdruck bringen möchte. Ich bin ja überzeugt, dass binnen weniger Tage in allen Städten des Landes Barrikaden gebaut würden, wenn sämtliche Sender ihre Übertragung einstellten.

Leider brachte mich ein technisch versierter Bekannter schnell wieder auf den ernüchternden Boden der Tatsachen. Diese Allround-Ausschalt-Fernbedienung funktioniert nämlich wie jede andere auch nur dann, wenn sie punktgenau in die Richtung des auszuschaltenden Gerätes gehalten wird. Keineswegs kann man mit ihr blindlings in der Gegend rumballern und Glotzen im Dutzend auslöschen.

Schade!

Protected: Schlammschlacht um Kate Moss

Tuesday, 28. June 2011

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Protected: Ich hasse Fernsehen!

Thursday, 31. March 2011

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Von Kairo zum Kairos

Friday, 18. February 2011

schutzlospreisgegeben

Seit geraumer Zeit denke ich darüber nach, welchen Nutzen es eigentlich für einen halbwegs gebildeten und durchweg unangepassten Mitteleuropäer wie mich hat, die täglichen Nachrichten aus den Massenmedien zur Kenntnis zu nehmen.

Ein krasser Outsider auch auf diesem Felde bin ich ja von jeher durch meine konsequente Fernsehverweigerung. Wann immer meine Mitmenschen hiervon erfuhren, war ihre spontane Reaktion, dass sie sich ein Leben ohne Fernsehgerät schon deshalb nicht vorstellen könnten, weil sie dann Angst hätten, „zu vieles nicht mitzubekommen“. Für sie gehöre die allabendliche Tagesschau unverzichtbar zu ihrem Freizeitprogramm. Man müsse doch „wissen, was in der Welt vor sich geht“, schon „um mitreden zu können“. Bei Urlaubsreisen ins Ausland fühlten sie sich deshalb oft „wie abgeschnitten“. Als ich noch beruflich mit solchen Zeitgenossen zu tun hatte, konnte ich aber immer wieder feststellen, dass ihre vermeintliche Informiertheit sowohl quantitativ als auch qualitativ um ein Beträchtliches hinter meinem aktuellen Kenntnisstand zurückblieb. Offenbar führte meine Partizipation am internationalen Tagesgeschehen, durch das morgendliche Lesen einer überregionalen Tageszeitung, gelegentliches Radiohören und nebenher noch durch das eher ziellose Stöbern in diversen Informationsangeboten im Internet, zu präziseren Kenntnissen, insbesondere aber zu einer strukturierteren Wahrnehmung und besser begründeten Bewertung des Weltgeschehens.

Ich erklärte mir diesen Rückstand meiner Kollegen unter anderem damit, dass das Zerhacken der Ereigniskontinuität im Fernsehen, zunächst durch die hektischen Schnittfolgen des Angebots, später dann durch das wilde Zappen der Nutzer im Überangebot der Programme, zu einer Auflösung von Sinnzusammenhängen führt. Überdies schien mir immer, dass die simultane Darbietung von optischer (visueller) und akustischer (verbaler) Information mindestens dann eher ablenkend wirken muss, wenn beide nicht aus einer Quelle rühren; anders gesagt: wenn Bild und Ton nicht wie aus einem Guss sind. (Genau aus diesem Grund und erwiesenermaßen ist das Microsoft-Programm PowerPoint kein Hilfsmittel bei der Präsentation komplexer Sachverhalte, sondern vielmehr geradezu ein Störfaktor für Verstand und Gedächtnis.)

Die jahrelange Gewöhnung an solch ein den Alltag beherrschendes Medium kann für das Bewusstsein der Konsumenten nicht folgenlos sein. So fällt mir auf, dass die öffentliche Wahrnehmung zu jedem gegebenen Zeitpunkt jeweils von einer Top-Nachricht gebannt zu sein scheint. Um diese herum wimmelt es geradezu von konkurrierenden Nachrichten, die sich darum bewerben, den Spitzenreiter abzulösen. Meist ist die Lebensdauer solcher Topnews auf wenige Tage begrenzt. Insofern wurden wir jüngst zu Zeugen einer ungewöhnlich lange dominierenden Nachricht, als Mubarak partout nicht weichen wollte. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der dank einer ungeschickt mit fremden Federn ausgestopften Dissertation heute im Brennpunkt der Aufmerksamkeit steht, dürfte da nicht mithalten können. Diese Gegenüberstellung – hier ein Volksaufstand von etlichen Millionen in Ägypten, dort ein paar nicht korrekt ausgewiesene Zitate in einer Doktorarbeit: von Kairo zum Kairos – macht deutlich, wie disparat doch die jeweiligen Themen sind, auf die wir regelmäßig einen Teil unserer Aufmerksamkeit verschwenden; und wie wenig sie mit unserem wirklichen, alltäglichen Leben zu tun haben.

Immerhin das zu erkennen und von Einsichten dieser Art fragend zu Erklärungen vorzudringen, macht für mich eine wenigstens partielle und jedenfalls kritische Wahrnehmung des medialen Grundrauschens gerade noch sinnvoll.

Nur keine Panik!

Monday, 22. November 2010

bruch

Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Gespenst des islamistischen Terrorismus. Alle Mächte des wiedervereinigten und erstarkten deutschen Staates haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet: die Kanzlerin und ihr Innenminister, die Medien von BILD bis Spiegel, von Das Erste bis ProSieben, ein überforderter Berliner Innensenator und übermüdete deutsche Polizisten. Dabei stecken sie alle miteinander im selben Dilemma: Was sie auch tun und sagen, kann je nach Gang der Dinge später gegen sie verwendet werden. Es ist schon kein leichtes Los, in Zeiten vager Bedrohung konkrete Verantwortung zu tragen! Spielen wir die beiden denkbaren Varianten durch.

Szenario 1 (nennen wir es, bevor wir es genauer wissen, vorläufig und in Anlehnung an den WTC-Anschlag von 2001) Twelve-Six: Es ereignet sich tatsächlich in den nächsten Wochen, zum Beispiel am Nikolaustag, ein katastrophaler terroristischer Anschlag in einer deutschen Großstadt, oder gar zeitgleich an mehreren Orten. Welcher Art die Attacke diesmal sein wird, ob sie einem der bisher bekannten Muster folgt (gezielter Flugzeugabsturz, Bombenanschlag auf Schienenverkehrsmittel, wahllose Liquidierung von Passanten), oder ob sich die Strategen des Terrors in Pakistan, im Jemen oder wo auch immer etwas ganz Neues ausgedacht haben, steht ebenso in den Sternen wie die diesmaligen Anschlagsziele. Weihnachtsmärkte? Der Reichstag in Berlin? Fußballstadien? Oder gar Kernkraftwerke? Vorsichtshalber ziehen die zuständigen Politiker und Beamten alle möglichen Varianten in Erwägung, damit sie hinterher darauf verweisen können, dass sie ja immerhin vor dem dann traurige Wirklichkeit gewordenen Unglück gewarnt haben. Umgekehrt müsste ein Innenminister wohl seinen Hut nehmen, der von den Ereignissen vollkommen überrascht wird oder auch nur einen solchen Eindruck hinterlässt. Geschieht aber etwas gänzlich Unerwartetes, ja Unerwartbares, dann sind „die Verantwortlichen“ auch aus dem Schneider, denn damit konnte ja nun wirklich keiner rechnen. Und verständlicherweise wiederholen sie gebetsmühlenartig die Binsenwahrheit, dass es einen 100%igen Schutz gegen terroristische Anschläge in einer freien Gesellschaft nun einmal nicht geben könne; dass mithin ein „Restrisiko“ immer bleibe. Insofern ist auch der Titel „Verantwortliche“ für die Entscheidungsträger im Bereich der öffentlichen Sicherheit angesichts der Bedrohung durch international operierende Terroristen fehl am Platz. Kein Mensch kann heute mehr die Verantwortung dafür übernehmen, einen solchen Anschlagsplan in jedem Falle zu vereiteln.

Szenario 2 (nennen wir es, nach der jüngst im namibischen Windhoek sichergestellten Bombenattrappe) Blindgänger: Es passiert nichts, nicht im November, nicht im Dezember, nicht im März und nicht im April nächsten Jahres. Allerdings kommen immer wieder von verschiedenen Seiten, einerseits aus mehr oder weniger dubiosen, andererseits aus mehr oder weniger ernst zu nehmenden Quellen mal eher vage, mal sehr konkrete Hinweise auf einen hier oder dort bevorstehenden Anschlag. Mit hohem Aufwand an Personal- und Materialkosten werden die geeigneten Maßnahmen ergriffen. Nachforschungen werden angestellt, Sicherheitsvorkehrungen getroffen, Verkehrswege gesperrt, Warenströme aufgehalten usw. Der entstehende wirtschaftliche Schaden für die Gemeinschaft ist immens, von der demoralisierenden Verunsicherung der Bürger ganz zu schweigen. Andererseits hält sich der von den Drahtziehern einer solchen „Red-Herring-Taktik“ betriebene Aufwand in engen Grenzen, ihre Risiken sind minimal. Fast könnte man sich fragen, warum die Terroristen nicht seit je diesen bequemen und sparsamen Weg beschritten haben. Allerdings wirkt eine Scheindrohung nur dann, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit aus realen Ereignissen in der Vergangenheit  herleiten kann. Die Anschläge von Luxor (1997), Nairobi und Daressalam (1998), auf die USS Cole in Aden (2000), auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington (2001), auf Pendlerzüge in Madrid (2004) und U-Bahnen und Busse in London sowie auf Touristen in Bali (2005), auf das Marriott-Hotel in Islamabad und auf willkürlich ausgewählte Passanten in Mumbai (2008) – all diese islamistischen Gruppen zuzurechnenden Gewalttaten haben genug Schrecken verbreitet. Nun kann sich al-Qaida vermutlich für längere Zeit auf seinen „Lorbeeren“ ausruhen und darauf vertrauen, dass schon ein Räuspern seiner Aktivisten im verhassten satanischen Westen für hektische Betriebsamkeit (und eben für hohe Kosten) sorgen wird. Erst wenn wieder eine gewisse Abstumpfung erreicht ist, dürfte der Zeitpunkt für eine neue Tat gekommen sein.

So weit das Dilemma der in jedem Fall überforderten „Verantwortlichen“, die entweder Panikmache betreiben können und somit unfreiwillig die Werbetrommel im Interesse der Terroristen rühren oder ihren Job riskieren, wenn sie die Bevölkerung beruhigen und dann doch ein Unglück geschieht.

Wenn ein konkretes Dilemma unauflösbar erscheint, bietet sich meist die Flucht in eine Abstraktion an. So auch in diesem Fall, wenn gefragt wird, welche Art „Unglück“ hier denn eigentlich verhandelt werde. Die Zahl der westlichen Opfer von al-Qaida seit Bestehen dieses weltweit operierenden Terror-Netzwerkes betrage schließlich gerade einmal fünftausend, in Europa waren es kaum 300. Pro Jahr, so heißt es, fallen allein in Deutschland 74.000 Menschen ihrer Alkoholkrankheit zum Opfer. Worüber regen wir uns also auf? Wovor haben wir Angst? Das Risiko, bei einem Verkehrsunfall ums Leben zu kommen, ist alltäglich um ein Vielfaches höher als das, jemals einem Terroristen vor die Flinte zu laufen. Und wer auch mit solchen abstrakten Zahlenspielen aus der Statistik seine irrationalen Sorgen nicht in den Griff bekommt, dem gelingt es vielleicht durch autosuggestiv erzeugten Heroismus: „Wir müssen eine heroische Gelassenheit entwickeln,“ rät der Berliner Soziologe Herfried Münkler bei Quarks & Co., „denn es wird auch bei uns früher oder später einen Anschlag geben. Dabei erwächst die Macht der Terroristen aus unserer eigenen Angst. Wenn wir aber die Anschläge als Unfälle ansehen würden, dann stellt sich heraus, die Terroristen können uns gar nichts anhaben.“ – Also nur keine Panik!

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Monday, 20. April 2009

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TV mortal

Monday, 29. December 2008

“A four-year-old girl died on Christmas Day following an accident at her home, it has been disclosed. It is understood she was injured when a television fell on her at home in Coedpoeth, Wrexham, on Christmas Eve. North Wales Police were called at 1820 GMT, but doctors at Liverpool’s Alder Hey Children’s Hospital were unable to save her and she died the next day. Police said the family of the little girl, whose name has not been released, were ‘distraught’. A spokeswoman for North Wales Police said: ‘[…] The family are understandably very distraught by this tragic accident and police are making a plea for the privacy of the family to be respected at this incredibly difficult time.’ She added that the North East Wales coroner’s office has taken over the investigation.” (BBC News online v. 28. Dezember 2008.)

In der Tat ein tragisches Missgeschick, dazu noch an Heiligabend! Um dies vorsorglich vorauszuschicken: Mein aufrichtiges Mitgefühl gilt den unglücklichen Eltern des kleinen Mädchens, die sich nun für den Rest ihres Lebens den Vorwurf machen müssen, dass sie für keinen sicheren Stand des schwergewichtigen Flimmerkastens gesorgt haben. Vermutlich war’s ein 37-Zoll-Gerät. Dabei hatten doch noch vor wenigen Wochen offizielle Stellen in Großbritannien vor Unfällen dieser Art gewarnt, nachdem der gerade mal ein Jahr alte Riyaz Ghaazi Mohamed im walisischen Swansea von einem 33 Kilo schweren Fernseher erschlagen worden war: “I would urge parents of young children to check the stability of furniture in their home, especially when heavy objects are placed on lightweight furniture, because this is a tragedy which could easily happen again.” So der ermittelnde Coroner Philip Rogers.

Gleich anschließend muss ich allerdings zu bedenken geben, dass selbst diese merkwürdige Duplizität zweier tragischer Todesfälle durch TV-Absturz in keinem Verhältnis zu dem Schaden steht, den abermillionen standsicher platzierte Fernsehgeräte in den Seelen von Kindern aller Altersstufen tagtäglich anrichten, ohne dass vor diesem Zerstörungswerk auf den Panorama-Seiten unserer Tageszeitungen jemals gewarnt würde.

Die permanente „Verkleisterung der Gehirne” (Oswald Wiener) vollzieht sich eben ganz unblutig, wenig spektakulär, aber ungleich wirkungsvoller und folgenreicher als der Schädelbasisbruch durch die mechanische Einwirkung einer umstürzenden Glotze.

Wenn zwei kleine Kinder von wacklig aufgestellten Fernsehgeräten erschlagen werden, dann weckt dies unser Mitleid. Wenn aber Millionen Kinder in aller Welt tagtäglich von dem Höllenbrodem aus tausend Kanälen „erschlagen” werden, dann nehmen wir dies als eine Selbstverständlichkeit klag- und mitleidslos hin.

Dreckschleuder

Sunday, 19. October 2008

Was das Fernsehen angeht, dessen inhaltliche Qualitäten seit einer Woche mal wieder durch den Veitstanz eines greisen Fernsehstars ins Gerede gekommen sind, bin ich Fundamentalist – und Totalverweigerer. Ich habe kein Empfangsgerät in der Wohnung stehen, ich sehe mir auch anderswo keine Fernsehprogramme an, gleich ob öffentlich-rechtliche oder private, ich ernähre mich intellektuell rein vegetarisch, bereite mir meine Nahrung ausschließlich aus Texten und Bildern der papierenen Provenienz, angereichert durch bequem verfügbare Zutaten aus dem Internet. Selbst wenn es weltweit keine niveauloseren Sender als Arte und 3sat gäbe, würde das an meiner prinzipiellen Abneigung gegen dieses Massenmedium keinen Deut ändern. Ganz einfach gesagt: Nicht die jetzt wieder an den Pranger gestellten idiotischen Inhalte des Fernsehens veranlassen mich zu meiner konsequenten Abstinenz; vielmehr habe ich längst schon die Form ihrer Darbietung in diesem Medium als für mich grundsätzlich schädlich und insofern absolut entbehrlich erkannt.

Die sich gegenseitig verstärkende Wechselwirkung zwischen der fortschreitenden Trivialisierung der Inhalte im Fernsehen und den sinkenden Ansprüchen seiner Zuschauer vor der Mattscheibe ist eine Gesetzmäßigkeit, die diesem Medium von Anfang an, also seit der Nierentisch-Epoche, immanent war und die durch keine noch so gut gemeinte Gardinenpredigt eines gebildeten Großkritikers umzukehren oder auch nur zu bremsen ist. Indem die Einschaltquote, von der die Werbeeinnahme abhängt und damit die Finanzierung dieses Massenspektakels, das Programm bestimmt, reguliert sich dieses Unterhaltungssystem selbst. Ein erfolgreicher Intendant zeichnet sich schon längst nicht mehr durch Phantasie, Experimentierfreude und innovative Ambitionen aus. Vielmehr lässt er den Dingen ihren Lauf und sitzt die regelmäßig über ihn niedergehenden Medienschelten großkopferter Arroganskis lieber aus, als einen Rückgang der Quoten (und damit der Werbeeinnahmen) für seinen Arbeitgeber resp. Gehaltszahler in Kauf zu nehmen.

Weder die Empfänger noch die Sender haben in diesem sich selbst regulierenden System einen Handlungsspielraum. Das ist ein geschlossener Kreislauf, eine unablässig rotierende Turbine des Elends. Letztere, „die Fernsehmacher”, müssen produzieren, was gewünscht wird; erstere, „unsere lieben Zuschauer”, müssen konsumieren, was geboten wird. – Die Wahlmöglichkeit zwischen Dutzenden von Programmen, jenes „Switchen” per Fernbedienung, das die einst auf zwei Sender und die anstrengenden „Dritten” reduzierte Schmalspurofferte zum Scheinbild einer großen weiten Welt hochpushte, ist dabei nur eine Farce. Und die wenigen anspruchsvollen Sendungen erfüllen lediglich eine Alibifunktion. Entscheidend aber ist der Mainstream, jener reißende Fluss, der immer breiter und schneller wird und alles mit sich in den Abgrund spült, was einmal „humanistische Bildung”, „kritischer Geist” und „gepflegter Geschmack” hieß. – Das Fernsehen ist der letzte Sargnagel zur vordem schon gescheiterten Aufklärung.

Marcel Reich-Ranicki hat diese destruktive Allmacht des Fernsehens nicht erkannt. Sonst hätte er sich in den Jahren seines Literarischen Quartetts nicht zum Hofnarren machen lassen. Und selbst in der Abgeschiedenheit des Ruheständlers ist er offenbar noch nicht aus dem Spuk schlau geworden, auf den er sich da eingelassen und zu dessen Abrakadabra er erfolgreich beigetragen hat. Wenn er von dem „Dreck” angeekelt war, den er stundenlang bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises aus nächster Nähe, als unmittelbarer Augenzeuge geboten bekam und ertragen musste, dann spricht das nicht für seine intellektuelle Redlichkeit, sondern ist kläglicher Ausweis seiner erschreckenden Naivität. (Alter schützt vor Torheit nicht.) Und wenn er glaubt, durch seine trotzige Ablehnung eines Plexiglas-Obelisken und einen halbstündigen Dialog mit Thomas Gottschalk über die inhaltliche Qualität des Fernsehens diesbezüglich eine Trendwende auslösen zu können, dann muss man’s wohl schon Größenwahn nennen.

Die überschaubar kleine Zahl jener Zeitgenossen, die wie ich einige vermeintliche „Segnungen” unserer Zivilisation zu Beginn des dritten Jahrtausends bewusst verweigern – das Fernsehen, das Handy, das Auto, den Tourismus – wird regelmäßig mit einer ebenso überschaubaren Zahl von Invektiven bedacht: arrogant, weltfremd, antagonistisch, kulturpessimistisch. Das nehmen wir aber liebend gern in Kauf – und zwar nicht aus messianischen Motiven, um der Rettung der Welt willen, sondern aus rein egoistischen Gründen. (Hierzu wird in nächster Zeit noch einiges zu sagen sein.)

Eklat

Tuesday, 14. October 2008

Die meisten Quotenknüller des Fernsehens verdanken ihren Erfolg der Hoffnung des Zuschauers auf ein ungeplantes Missgeschick. Die erregtesten Gespräche nach Live-Übertragungen von der Formel I und der Tour de France gab es in der Betriebskantine meines früheren Arbeitgebers immer nach Unfällen, je schlimmer, desto doller. Peinliche Patzer von sonst so perfekten Nachrichtensprechern, der schweigende Boxer Norbert Grupe, Trapattoni und sein „Ich-habe-fertig!”-Wutausbruch, Zlatkos schlechte Manieren im „Big-Brother”-Container, Eva Hermans Nahezu-Rausschmiss bei Johannes B. Kerner, die gegenseitigen Beleidigungen von Marcel Reich-Ranicki und Sigrid Löffler im gesitteten „Literarischen Quartett”, Zinédine Zidanes Kopfstoß gegen die Brust von Marco Materazzi in den letzten Minuten des WM-Finales – das waren einige der vielen mittlerweile legendären Spontanereignisse der Fernsehgeschichte, auf die jeder Zuschauer insgeheim stets hofft, wenn er sich vor die Glotze hockt und nach spannender Entspannung giert.

Wem das wirkliche Leben keine Abwechslung bietet und schon gar keine Überraschungen, für den ist die Sehnsucht, zum Zeugen solcher ungeplanten Regelverstöße in aller Öffentlichkeit zu werden, ein starkes Motiv, sich den langweiligsten Quatsch aus alter Gewohnheit und in Ermangelung einer Alternative Abend für Abend, Stunde um Stunde, Jahr auf Jahr in unverbrüchlicher Treue reinzuziehen. Welch ein Elend! Welche Vergeudung von Lebenszeit, Kreativpotenzial und mentalem Volksvermögen!

Was für den im Live-TV übertragenen Sportevent der blutige Unfall oder das brutale Foul, das ist für die Talkshows, Quizsendungen oder Preisverleihungen der Eklat: ein kostenloser Quotenbringer allererster Güte. Seine Effizienz ist zu einem guten Teil von der Fallhöhe abhängig: der Differenz zwischen den Erwartungen des Publikums an die Akteure auf dem Bildschirm und deren skandalösem Verhalten. Wenn Dieter Bohlen bei DSDS einen vernehmlichen Furz ließe, wäre das für zarte Gemüter, die sich wild zappend in ein solches Format verirrt haben, vielleicht momentweise degoutant, für seine hartgesottenen Fans würde er damit aber bloß eine weitere stinkende Blase in jenem Schlammbad produzieren, in dem die Unappetitlichkeit längst vorherrschende Konvention des gewöhnlichen Umgangs miteinander geworden ist. Solche Entertainer haben’s schwer, es mit einem Ausraster noch mal auf die erste Seite der Bild-Zeitung zu schaffen. Wenn aber – ich phantasiere mal – ein vor Seriosität und Beherrschtheit sonst nur so strotzender Tagesschau-Sprecher beim Verlesen einer Unfallmeldung in Tränen ausbräche, weil seine eigene Tochter zu den Opfern zählte, dann wäre dies ein Ereignis, das „Fernsehgeschichte” schriebe und tausendfach wiederholt würde.

Marcel Reich-Ranicki war ein erfolgreicher Literaturkritiker in den „anspruchsvollen” Printmedien der 1960er- bis 1980er-Jahre (Zeit und FAZ), dem aber schon in dieser Tätigkeit die Zurschaustellung seiner hochrichterlichen Würde, Unabhängigkeit und Allmacht mehr bedeutete als die Wertbeständigkeit und Kommensurabilität seiner für den Tag geschriebenen Urteile. In einer Zeit, als das formale Experiment und die politische Provokation die dominierenden Kräfte der ehemals „Schönen Literatur” waren, stand sein Name für ein Beharren auf stockkonservativen Positionen, zu deren Begründung er nie viel mehr anzuführen wusste als die Rückbesinnung auf die Ideale der Klassik – und sein Lieblingsparadigma lautete allenthalben: „Literatur darf den Leser nicht langweilen.” (Mit der allerdings stets unterschlagenen Voraussetzung: „Der Leser bin ich.”) Im März 1988 schloss der nachmalige „Literaturpapst” dann einen Pakt mit dem Teufel und ging gegenüber seiner Würde, um seiner Eitelkeit willen, einen Kompromiss ein: Marcel Reich-Ranicki bereicherte das ZDF um ein „Format”, das zuvor niemand für möglich gehalten hätte, eine „anspruchsvolle Literatursendung”, in der es ausschließlich um Bücher ging und in der nicht mehr zu sehen und zu hören war als das Gespräch zwischen vier kontrovers argumentierenden Fachleuten.

Rückblickend betrachtet hat der mittlerweile 88-jährige Mann damit immerhin dem deutschen Buchhandel einen großen Dienst erwiesen und dafür gesorgt, dass Abermillionen Bücher, vorzugsweise die von ihm verrissenen, über den Ladentisch gingen. (Wie viele von ihnen tatsächlich von den braven Käufern gelesen wurden, das steht freilich auf einem anderen Blatt.) Ein solcher Pakt hat nun aber, wie der an der deutschen Klassik geschulte Großkritiker zweifellos wissen wird, immer seine zwei Seiten. Und so sind wir kritischen Zeitzeugen dieses traurigen Schauspiels nun dazu verdammt, einem unaufhaltsamen Niedergang zusehen zu müssen. Marcel Reich-Ranicki kann nach der Einstellung des Literarischen Quartetts Ende 2001 auf seine alten Tage nun doch nicht auf die öffentliche Aufmerksamkeit verzichten; er nutzt – welch ein Eklat! – die Verleihung des „Ehrenpreises der Stiftung des Deutschen Fernsehpreises” dazu, sich noch einmal ins Rampenlicht zu stellen, pünktlich zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse, indem er in die Hand beißt, die ihn viele Jahre gefüttert hat – und schafft es endlich wieder zu einer Bild-Schlagzeile. Wenn man sich allsonntäglich seine peinlichen Briefantworten in der FAS anschaut, dann hätte man allerdings gewarnt sein müssen. – Am kommenden Freitag von 22:30 bis 23:00 Uhr erhält der unsterbliche MRR die Gelegenheit, im Gespräch mit dem ebenfalls unsterblichen Thomas Gottschalk vor Millionen Fernsehzuschauern darzulegen, warum er so lange gebraucht hat, bis ihm die Erkenntnis dämmerte, dass das Fernsehen das bislang wirkungsvollste Instrument zur Kulturvernichtung in der Menschheitsgeschichte ist. Die Quoten dürften sich sehen lassen.

GEZ

Monday, 22. September 2008

In der vorigen Woche bekamen wir unangemeldeten Besuch. Vor der Wohnungstür stand ein ernster Herr mittleren Alters, nennen wir ihn Spyri, der mir ein Schreiben mit dem Briefkopf des Westdeutschen Rundfunks (WDR) unter die Nase hielt, seinen Namen nannte und mich mit den Worten begrüßte: „Sie sind, wie ich hier in meiner Liste sehe, ja auch Kunde bei uns.” Ohne mit der Wimper zu zucken, bestätigte ich dies, schickte allerdings gleich die Einschränkung hinterher: „Ja, allerdings nur als Radiohörer. Ein Fernsehgerät haben wir nach wie vor nicht.”

Erst nachträglich wunderte ich mich, warum sich der Kontrolleur – denn um einen solchen handelte es sich ja wohl – als WDRMitarbeiter ausgewiesen hatte und nicht als Emissär der Gebühreneinzugszentrale (GEZ). Inzwischen weiß ich aber, dass diese auf Provisionsbasis tätigen Gebühreneinzugsbeauftragten, wie die Leute im Amtsdeutsch heißen, von den jeweiligen Landesrundfunkanstalten ausgesandt werden. Die GEZ ist lediglich ein Dienstleistungszentrum der Sender und keine rechtsfähige Institution, die einen eigenen „Secret Service” betreiben dürfte.

„Haben Sie kein Fernsehgerät – oder nutzen Sie es nur nicht?” Herr Spyri blätterte dabei in seinen Unterlagen, als könnte er mit ihrer Hilfe den Wahrheitsgehalt meiner Antwort auf diese bohrende Frage unverzüglich überprüfen. Das Rascheln der Papiere hätte einem Schuldbewussten nun wohl wie ein drohendes Donnergrollen erscheinen können, für mich aber galt: ‘A quiet conscience sleeps in thunder!’ „Nein, wir haben keinen Fernseher, ob Sie’s glauben oder nicht!” Daraufhin verabschiedete sich Herr Spyri auch schon wieder. Das war ja, für beide Seiten, ein kurzes Vergnügen.

Zufällig befand ich mich gerade im Begriff, meinen Papierkorb zu den Abfalltonnen zu tragen, als der GEZ-Mann klingelte. Diesen Vorsatz setzte ich nun in die Tat um und trat vors Haus. Da bemerkte ich einen Polizeiwagen, der im Schritttempo unsere stille Einbahnstraße entlangfuhr und dreißig Meter weiter neben Herrn Spyri anhielt. Es kam zu einem kurzen, aber intensiven Austausch zwischen den Ordnungshütern und dem Gebührenfahnder, ganz so, als kenne man sich und kooperiere im besten Einvernehmen.

Ich will mich jetzt aber davor hüten, unbegründbare und erst recht unbeweisbare Verdächtigungen gegen staatliche Beamte oder einen selbstständig tätigen Subunternehmer im Auftrag einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt auszustoßen. Vielleicht haben die Polizisten Herrn Spyri bloß nach dem Weg gefragt? Vielleicht kam er ihnen ja sogar verdächtig vor, wie er da von Haus zu Haus ging, mit seinem Klemmbrett und seinen raschelnden Formularen: „Dürfen wir mal fragen, was Sie hier eigentlich machen?” Froh zu sein bedarf es wenig, und wer froh ist, ist ein König. Auch ist wohl ein rein’s Gewissen stets ein gutes Ruhekissen.