Archive for February, 2009

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Saturday, 28. February 2009

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Henne oder Ei

Friday, 27. February 2009

Als eine westliche Literaturwissenschaftlerin den chinesischen Romancier Qian Zhongshu (1919-1998) besuchen wollte, riet dieser ihr am Telefon dringend davon ab, mit der Begründung, „wenn einem ein Ei geschmeckt habe, müsse man nicht unbedingt die Henne besuchen.” (Monika Motsch im Nachwort zu Qian Zhongshu: Die umzingelte Festung. A. d. Chin. v. Monika Motsch u. Jerome Shih. Insel: Frankfurt am Main, 1988; hier zit. nach Christoph Bartmann: Die Freude des begnadigten Verbrechers; in: Süddeutsche Zeitung Nr. 47 v. 26. Februar 2009, S. 14.)

Dieses schlitzäugige Understatement! Diese asiatische Bescheidenheit! Bewundernswert. Und dabei sehr geschäftstüchtig, denn kein Werbetext für das Buch und keine Rezension kommt ohne die Anekdote mit dem Henne-Ei-Autor-Buch-Vergleich aus.

Aber was will uns Qian Zhongshu hier weismachen? Dass die „Geschmacksvielfalt” von Romanen ähnlich begrenzt ist wie die von Eiern, nämlich auf die zwei Geschmacksrichtungen „wohlschmeckend” und „nicht wohlschmeckend”? Nun gut, es gibt verschiedene Arten, Eier zuzubereiten. Aber wenn mir ein mit ungewöhnlichem Geschick besonders appetitlich zubereitetes Ei gut schmecken würde, dann käme ich nicht auf die Idee, die Henne kennenlernen zu wollen, sondern wenn schon dann den Koch.

Ein Ei gleicht dem anderen, die Ähnlichkeit von Eiern ist nicht umsonst sprichwörtlich. Aber niemandem fiele wohl ein, von zwei Romanen, egal welchen, zu sagen, dass sie sich glichen wie ein Ei dem anderen.

Der Autor wollte keine Auskunft über sich geben. Das kann viele Gründe gehabt haben und ist wahrlich kein Einzelfall. Autoren, die zu wenig von sich preisgeben, sind mir aber allemal lieber als solche, die es damit übertreiben. Auch wenn das Gleichnis vom Ei und der Henne etwas schief hängt, ist mir solche Zurückhaltung unbedingt sympathischer als der abgestandene Bericht vom Unterwegssein eines eitlen und selbstgerechten Deutschen von Deutschland nach Deutschland. Insofern wäre Qian Zhongshu der Literaturnobelpreis des Jahres 1999 zu gönnen gewesen. Den hat wohl nur deshalb ein anderer erhalten, weil der Chinese im Jahr zuvor verstarb.

Verlernt

Thursday, 26. February 2009

Unsere Vorfahren im Jungpaläolithikum, also etwa um 35.000 bis 10.000 v. Chr., fertigten säuberlich gemeißelte Messer [s. Titelbild], die bis zu 26 Zentimeter lang, aber nur einen Zentimeter dick sind und sich mit den modernsten industriellen Verfahren nicht nachbilden lassen. (Marvin Harris: Kannibalen und Könige. Aufstieg und Niedergang der Menschheitskulturen. A. d. Am. v. Volker Bradke u. a. Frankfurt am Main: Umschau Verlag, 1978, S. 19 f.)

Unsere Fortschrittsvergötzung täuscht uns darüber hinweg, dass jede unserer Errungenschaften mit einem Verlust erkauft wird. Was wir verlernt und vergessen haben, wissen wir naturgemäß nicht mehr, spüren wir nicht, entbehren wir nicht. Darum wähnen wir uns jederzeit „auf der Höhe” unseres Könnens. Wie naiv!

Und dabei sind die verlorenen Künste, die durch solche steinernen Zeugen ahnbar gemacht werden, ja nur ein Kinkerlitzchen vom verschollenen Großen und Ganzen. Welche Gesten mögen spurlos verschwunden sein in den vergangenen dreißig Jahrtausenden, welche Gefühle, welche Fertigkeiten des Verstehens und Genießens?

Auch eine Stradivari oder Guarneri können wir nicht mehr bauen. Die Handwerkskunst ihrer Herstellung ist gerade einmal 300 Jahre alt und dennoch längst schon ausgestorben. Nie wieder erreicht ein Jongleur die Geschicklichkeit des legendären Enrico Rastelli (1896-1931), der ein Dutzend Bälle gleichzeitig auf verschiedenen Stellen seines Körpers balancierte, sie die Plätze tauschen ließ, dabei Pirouetten und Überschläge vollführte, vom Kopfstand in den einarmigen Handstand wechselte – und all dies ohne jede Verkrampfung, mit unendlicher Leichtigkeit und Grazilität.

Auch die Kunst des Gedankenlesens ist vom Aussterben bedroht, wie das Heilen durch Handauflegen und das Übermitteln von Nachrichten mittels Morseapparat.

Windschief

Monday, 23. February 2009

Neulich sah ich wieder mal Buster Keatons Kurzfilm One Week von 1920. Mir fällt zu dem Häuschen, das der handwerklich unbegabte Bräutigam seiner Braut errichtet, stets das Oxymoron vom “genialen Dilettanten” ein.

Komischer Zufall, dass 1981 beim Festival Genialer Dilletanten im Berliner Tempodrom auch Blixa Bargeld und seine Einstürzenden Neubauten auftraten, die sich seit dem Einsturz der Kongresshalle so nannten.

Dieses Gebäude hieß bekanntlich im Volksmund “Schwangere Auster”. Am Tag, als ich zum ersten Mal Vater geworden war, verließ ich den Kreißsaal und kaufte eine Zeitung. Auf der Titelseite wurde der Einsturz der “Schwangeren Auster” gemeldet.

Franz Schuh stellt die unfreiwillige Komik des Ungeschickten in den schiefen Rahmen eines Lobs der Nutzlosigkeit: “In einem Film baut Buster Keaton ein Haus für sich und die frisch Angetraute. Die Komik beim Hausbauen mag daran erinnern, daß es nicht immer leicht ist, ein Heim zu errichten, in dem man – auf der Grundlage des einander gegebenen Ja-Wortes – bis auf weiteres geborgen west. Man macht einen Plan, und für den Zuschauer ist es lustig, wenn er auf spektakuläre Art nicht funktioniert – auch weil in Keatons Film ein Feind dazwischengefunkt hat. Der Feind trägt den schönen Namen: Rivale. Der Rivale hat die Bestandteile des Hauses umnumeriert – Keaton wird zum freien Architekten jenseits seiner eigenen Pläne. Er baut ein in alle Richtungen hin windschiefes Haus.” (Franz Schuh: Schwere Vorwürfe, schmutzige Wäsche. Wien: Paul Zsolnay Verlag, 2006, S. 85.)

Mein Weblog ist auch ohne dazwischenfunkende, umnummerierende Rivalen durcheinander, windschief, schwanger. Ob’s dilettantisch ist? Ob’s genial ist? Ich selbst wohne ganz gemütlich drin, bald schon ein Jahr. Wenn Gäste kommen, zeige ich auf das Schild neben der Haustür: “Betreten auf eigene Gefahr!”

Zahnhimmel

Monday, 16. February 2009

Das war der Teufel. Morgen geht’s weiter in alter Frische.

Zahnhölle

Sunday, 15. February 2009

Heute keine Christ-Birne wegen teuflischer Zahnschmerzen.

[Titelbild von Wilhelm Busch aus: Der hohle Zahn.]

Wohnsinn (IX)

Wednesday, 11. February 2009

[Wahnsitz von September 1991 bis Dezember 2004.]

Wohnsinn (VIII)

Tuesday, 10. February 2009

[Wahnsitz von April 1988 bis September 1991.]

Wohnsinn (VII)

Monday, 09. February 2009

[Wahnsitz von Mai 1984 bis März 1988.]

Wohnsinn (VI)

Sunday, 08. February 2009

[Wahnsitz von Januar 1980 bis April 1984.]

Wohnsinn (V)

Thursday, 05. February 2009

[Wahnsitz von September 1978 bis Dezember 1979.]

Wohnsinn (IV)

Thursday, 05. February 2009

[Wahnsitz von Juli 1977 bis August 1978.]

Wohnsinn (III)

Wednesday, 04. February 2009

[Wahnsitz von Oktober 1975 bis Juli 1977.]

Wohnsinn (II)

Wednesday, 04. February 2009

[Wahnsitz von Dezember 1956 bis Mitte Oktober 1975.]

Wohnsinn (I)

Wednesday, 04. February 2009

[Wahnsitz von Juli bis Dezember 1956.]

Schmutz

Monday, 02. February 2009

Was bleibt, nachdem nun diese 77 Jahre und 35 Tage gezählt sind? Ein Rechteck von 54 Quadratzentimetern, den einen Millimeter breiten schwarzen Rand mitgerechnet. Darin, rechtsbündig über dem Namen des Verstorbenen, seinen Lebensdaten und den Namen seiner engsten Angehörigen sowie dem Termin und Ort der Beerdigung, ein vieldeutiger Satz nach Michel de Montaigne: „Die Natur versteht ihre Sache besser als wir.”

Was noch? Bei einem seiner – nicht allzu zahlreichen – Leser wie mir: das Bedauern, dass hier wieder einmal jemand aus dem mächtigen Schatten eines Verwandten nie hat heraustreten können. Diesmal war’s der große Bruder, der wie zum Hohn seine Größe gleich mit im Namen führte. Und immer muss da ja im Hinterkopf der schmachvolle Verdacht schwelen, dass der geringere Erfolg sich teilweise auch noch von der strahlenden Prominenz des Namens herleitet, die der Bruder ihm verschafft hat. Gar Fälle von Verwechslung sind einzukalkulieren!

Aber dann bleiben vorzüglich seine Übersetzungen aus dem Englischen, insbesondere der Carroll’schen Alice-Romane, und hier wiederum an erster Stelle seine geniale deutsche Übertragung des Jabberwocky, den er Zipferlake nannte. Darauf muss man erst mal kommen!

Und schließlich bleibt sein letztes Buch, Was ist Was, das ich mir bei seinem ersten Erscheinen 1987 in der „Anderen Bibliothek” von Franz Greno in Nördlingen ausnahmsweise in der schon fast dekadent auf bibliophil getrimmten Vorzugsausgabe gegönnt habe: „Das Handbütten à Fleur mit eingeschöpften Blüten und Blättern der Auvergne lieferte Richard de Bas in Ambert d’Auvergne.” [s. Titelbild]

Und darin klingen jetzt die letzten Zeilen (S. 602) wie ein Epitaph (auf das Buch? oder die Menschennatur? oder auf sich selbst als Autor?): „Und noch nicht genug: denn jeder von uns hat ein solches kleines Buch in dem großen, ob geschrieben oder nicht, und jeder ein anderes – aber ein Buch jedesmal, und immer sagt es dasselbe: die Welt kann zu allem werden, was von ihr gewollt wird, wir müssen uns nur weitererfinden, erst so endlich bekommt das Schöne sein Recht übers Wahre, amen, das ist der Schluß, jetzt bin ich fertig.” (Und dann folgen doch noch zwei Wörter, die ich aber verschweige.)

Komma

Sunday, 01. February 2009

< [Ohne Kommentar.]