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Spiel (II)

Saturday, 27. September 2008

Partie in der „Schacharena“, Sargon – Revierflaneur (26.09.08, 15:47 bis 16:52 Uhr): 1. Sg1-f3. Das ist die nach dem polnisch-deutschen Schachmeister Johannes Hermann Zukertort (1842-1888, s. Titelbild) benannte Eröffnung. Als der zeitweise neben Steinitz stärkste Schachspieler der Welt sie in die Turnierpraxis einführte, erregte er damit einiges Aufsehen. „Bizarr” – so das Urteil der Zeitgenossen. Ich hatte mit dieser selten gespielten Eröffnung (ECO-Code A04-A09) keinerlei Erfahrung und spielte 1. … d7-d5, was sich wohl auch als gebräuchlichste Erwiderung durchgesetzt hat (A06-A09). – Als spielbar gelten auch die passiveren Entgegnungen 1. … Sg8-f6 (A04) und 1. … g2-g3 (A05).

Sargon spielte nun weiter wie der klassische Zukertort: 2. d2-d4. Dies ist spätestens seit den 1920er-Jahren außer Gebrauch gekommen, als der tschechoslowakische Großmeister Richard Réti (1889-1929) den Zug 2. c2-c4 einführte und damit als Schöpfer der Réti-Eröffnung (A09) in die Schachgeschichte einging. Geläufig sind daneben heute noch die Züge 2. b2-b4 (A06) und 2. g2-g3 (A07). – Und so ging’s weiter: 2. … e7-e6 3. Dd1-d3 Sb8-c6 4. a2-a3 a7-a6 5. Lc1-f4 Lf8-d6 6. Lf4xd6 Dd8xd6 7. e2-e4. Sg8-e7. (Hier hätte ich offensiver 7. … Dd6-f4 spielen können, mit der Drohung Df4-c1† und Verlust des Ta1. Stattdessen droht nun 8. e5-e6 und meine Dame wäre zum Rückzug gezwungen, doch Weiß spielt anders.) 8. Dd3-e3 d5xe4 9. De3xe4 f7-f5 10. De4-e3 Se7-d5.

Ein riskantes Spiel, auf das ich mich da einlasse: 11. De3-g5. Möglich wäre 11. … g7-g6, aber die Rochade schien mir besser: 11. …0-0 12. c2-c3, womit mir Weiß die Offensive überlässt: 12. … h7-h6 13. Dg5-g3. Dieses Tauschangebot wollte ich nicht annehmen: 13. … e6-e5 14. Sf3xe5 Sc6xe5 15. d4xe5 Dd6-b6 – mit der erneuten Drohung, über Db6xb2 den Ta1 zu schlagen, die mit 16. b2-b4 zunächst aus der Welt geschafft wird. Aber es gibt ja noch ein viel attraktiveres Opfer unter den Weißhäuten: 16. … f5-f4 17. Dg3-f3 c7-c6 18. Lf1-c4 Lc8-e6 19. 0-0 Tf8-f5 20. Tf1-e1 Ta8-e8 21. a3-a4 Db6-c7 22. g2-g4. – Wie schön, dass vor einem halben Jahrhundert die En-passant-Regel eingeführt wurde! 22. … f4xg3 23. Df3xg3. Das ist natürlich verhängnisvoll, aber ich sehe auch keinen besseren Zug. Der Verlust der weißen Dame ist wohl unvermeidbar: 23. … Tf5-g5 24. Dg3xg5 h6xg5 25. Lc4xd5 Le6xd5 26. Sb1-d2 Te8xe5 27. c3-c4 Te5xe1 28. Ta1xe1 Ld5-f7 29. Sd2-e4 g5-g4 30. Sg4-e3 g7-g6 (um dem Se3 die Felder h5 und f5 zu verstellen). 31. b4-b5 a6-a5 32. c4-c5 Lf7-b3 33. Te1-e4 Dc7-d7 34. b5-b6 Dd7-d1† 35. Sg3-f1.

Und nun mache ich meinen spielentscheidenden Fehler! Nach 35. … Dd1-f3 hätte noch 36. Te4-e8† Kg8-g7 37. Te8-e7† Kg7-f6 folgen können. Entweder droht Weiß nun der Verlust des Turms, oder er rettet ihn vorläufig (38. Te7-h7 oder Te7xb7). Doch mein Zug 38. … Lb3-d5 hätte anschließend unausweichlich zum Matt geführt. (Auch 38. Te7-d7 verzögert dieses Matt bzw. den Turmverlust nur um einen Zug mit 38. … Kf6-d6.)

Stattdessen ziehe ich 35. … Lb3-d5, und die schon gewonnen geglaubte Partie geht verloren, zumal ich nach 36. Te4-e7 zum zweiten Mal das sichere Matt durch 36. … Dd1-f3 verpasse und stattdessen 36. … Ld5-h1 ziehe. 37. Te7-e3 Kg8-f7 38. h2-h3 g4xh3 39. Te3xh3 Dd1-g4† 40. Th3-g3 Dg4-e4 41. Sf1-d2 De4-e1 42. Sd2-f1 Lh1-e4 43. Tg3-e3 De1-b4 44. Sf1-g3 Db4-b1† 45. Kg1-h1 Le4-f5 46. Sg3-e2 Db1-f1 47. Kh2-g3 Df1-h3 48. Kg3-f4 Dh3-g4† 49. Kf4-e5 Dg4-c4 50. Ke5-d6 Dc4-d5† 51. Kd6-c7 Dd5-d7† 52. Kc7-b8 Dd7-d8† 53. Kb8-a7 Lf5-d3 54. Te3-f3† Kf7-e6 55. Se2-f4† Ke6-e5 56. Se4xd3 Ke5-d4 57. Tf3-f7 Kd4xd3 58. Tf7xb7 Dd8-d4 59. Tb7-f7 Dd4xa4 60. b6-b7 Da4-b5 61. b7-b8D Db5xc5† 62. Db8-b6 Dc5xb6† 63. Ka7xb6 a5-a4 64. Kb6xc6 Kd3-e2 65. f2-f4 a4-a3 66. Kc6-d5 Ke2-f3 67. Kd5-e5 a3-a2 68. Tf7-a7 Kf3-g4 69. Ta7xa2 g6-g5 70. f4-f5 Kg4-h4 71. f5-f6 g5-g4 72. f6-f7 g4-g3 73. f7-f8D g2-g3 74. Ta2xg2 Kh4-h3 75. Df8-g8 aufgegeben. Wieder mal erweist sich, dass ich auf der Siegerstraße übermütig werde und meinen kühlen Kopf verliere. Selbst nach den beiden verpassten Siegchancen hätte ich vermutlich das Ruder noch rumreißen können und mindestens ein Remis herausholen müssen. Aber das will ich hier gar nicht mehr im Detail analysieren. Schade!