Archive for December 17th, 2010

Problemlos?

Friday, 17. December 2010

blase1

Für den allerersten „Schenkelklatscher“ dieser neuen Serie können die Redakteure von der Süddeutschen nichts. Sie zitieren ja nur. Aber dass sie einen solchen Satz wortwörtlich zitieren, ist doch auch wieder ein starkes Stück, denn es lässt nur zwei mögliche Erklärungen zu. Entweder, sie wollen auf diese Weise die Bundesjustizministerin in die Pfanne hauen, deren Mangel an logischem Denkvermögen damit vorgeführt wird; oder aber sie finden nichts dabei, wenn eine Person in dieser Stellung einen solchen Un-Satz zu Protokoll gibt.

Der Hintergrund: Guido Westerwelle, noch amtierender FDP-Bundesvorsitzender und Bundesminister des Auswärtigen, gerät auch aus den Reihen der eigenen Partei zunehmend unter Beschuss, weil laut aktuellen Meinungsumfragen nur noch knapp fünf Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme für die Liberalen abgeben würden. Aus den Landesverbänden wird scharf auf den Vorsitzenden geschossen, da fordern führende Bundespolitiker der FDP ein Ende der internen, aber öffentlich geführten Personaldebatte.

In diesem Zusammenhang meldet sich nun Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zu Wort. Sie räumt ein, dass viele Wähler ihrer Partei enttäuscht seien, weil sie sich in der jetzigen Regierungspolitik nicht wiederfänden. Und dann verbricht sie den folgenden Satz: „Das ist unser Problem und nicht, dass wir die Bürgerinnen und Bürger [jetzt] auch noch mit großen Personaldiskussionen öffentlich behelligen.“ (FDP-Chef in Bedrängnis; in: SZ Nr. 292 v. 17. Dezember 2010, S. 1.)

Die Ministerin sagt hier wörtlich, es sei nicht das Problem der FDP, dass sie die Bürgerinnen und Bürger mit Personaldiskussionen behelligt. Aber das meint sie natürlich nicht, und tatsächlich ist ja nahezu das Gegenteil wahr. Es ist doch eben gerade ein Problem für die FDP, dass einige ihrer führenden Mitglieder in den Landesverbänden, wie Wolfgang Kubicki und Herbert Mertin, eine Personaldiskussion angestoßen haben, denn sonst hätte schließlich die Justizministerin zu diesem Thema überhaupt nicht das Wort ergreifen müssen. Richtig hätte sie etwa so formulieren können: ,Das ist unser Problem, um das wir uns kümmern sollten, und wir machen alles nur noch schlimmer, wenn wir nun öffentlich eine große Personaldiskussion führen und die Bürgerinnen und Bürger mit unseren internen Zwistigkeiten behelligen.‘ Es ist doch so einfach, einen Gedanken klar zum Ausdruck zu bringen – wenn man denn einen klaren Gedanken hat.

Aber wozu soll man sich heute als Politiker anstrengen, klar zu denken, gar zu sprechen? Solche Unschärfen gehen ohnehin unbemerkt im allgemeinen Durcheinander unter oder werden vom medialen Grundrauschen neutralisiert. Diese Gleichgültigkeit geht so weit, dass Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sich nicht scheut, das Interview mit dem geistesschwachen Satz, das sie übrigens Thomas Mayerhöfer vom Rundfunksender Bayern 2 gegeben hat, im O-Ton auf ihre Web-Seite zu setzen. (Daher weiß ich, dass die SZ-Redaktion, die übrigens Quellenangaben für Zitate aus anderen Medien selten für nötig hält, ein „jetzt“ im Satz der Ministerin geschlabbert hat, und konnte es der Richtigkeit zuliebe in eckigen Klammern hinzufügen.)

Der allmorgendliche Schenkelklopfer

Friday, 17. December 2010

blase0

Seit ich mein Interview-Vorhaben mit Oskar Lerbs notgedrungen zu Grabe habe tragen müssen, fehlt mir was. Und jetzt, wo mein Gesprächspartner sich aus dem Staub gemacht hat, kann ich ja freimütig gestehen, dass dieses Projekt eigentlich von Anfang an nicht so lief, wie ich ’s mir ursprünglich gedacht hatte. Die Pausen zwischen den Terminen waren viel zu lang, schon deshalb kam unser Dialog nie richtig in Fluss. Und auch die sture Begrenzung auf fünf Fragen – die allerdings Lerbs zur Bedingung gemacht hatte – war nicht eben förderlich.

Um es rundheraus zu sagen: Was mir eigentlich fehlt, ist die alltägliche Rubrik, mit einem festen Bezugspunkt, der mir gleich in den frühen Morgenstunden zuverlässig einen Anlass bietet, federleicht in Schwung zu kommen und dem Rest des Tages mit dem ruhigen Gewissen entgegensehen zu können, immerhin etwas schon geleistet zu haben.

Jetzt hab ich – Heureka! – genau dieses missing link zwischen meinem äffischen Traumgeschehen in meinen dschungelschwarzen Nächten und den sonnengrellen Geistesblitzen meiner besseren Tage gefunden, das mir an den unvermeidlichen schlechten immerhin doch den kleinen Trost gewährt, mein vegetatives Nervensystem mit allen sonst so überflüssigen Vitalfunktionen nicht ganz umsonst am Laufen gehalten zu haben.

Und dieser Einfall birgt sogar noch einen Zusatznutzen! Seit etlichen Wochen quäle ich mich nämlich mit dem Gedanken, ob ich mich nicht angesichts der angespannten Haushaltslage unserer Familie von dem einzigen klassischen Massenmedium, das mich noch über den aktuellen Verfallszustand unserer Welt unterrichtet, verabschieden soll. Das Abonnement der Süddeutschen Zeitung kostet immerhin monatlich 43,90 Euro. Rechnet man die Sonn- und Feiertage heraus, dann wende ich für meine tägliche Zeitungslektüre am Frühstückstisch rund 1,75 Euro auf. Lohnt sich das? Schließlich bekomme ich die allerschlimmsten Dinge ja unweigerlich aus dem Rundfunk mit (GEZ-Gebühr mtl. 5,76 Euro). Und wo mich „Hintergründe“ und „Meinungen“ interessieren, bin ich im Internet besser bedient, weil vielseitiger orientiert, im weiten Spektrum zwischen Weltwoche und jungle world.

Also stellte sich die unabweisliche Frage: Was würde ich am meisten vermissen, wenn ab Januar 2011 neben meinem Frühstücksteller nicht mehr die SZ läge, sondern – nichts? Die Antwort war schnell gefunden und fiel eindeutig aus. Was ich wirklich entbehren würde, das wären jene sprachlichen und gedanklichen Mängel, Versehen, Unschärfen, Verwechslungen und Fehler, ohne die heute keine einzige Seite einer Tageszeitung mehr auszukommen scheint, selbst jener überregionalen Blätter nicht, ob Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Welt, tageszeitung oder eben meine Süddeutsche. Mich über die täglich aktuellen „Fundstücke“ aus deren Redaktionsstuben zu echauffieren, ist zwischen Traum und Tag mein liebstes Mittel, in Fahrt zu kommen. Dabei bin ich nicht wählerisch. Mal ist es eine grammatische Unmöglichkeit, mal ein Schnitzer bei der Wortwahl, was mich auf die Schenkel klopfen lässt, mal stammt der alltägliche Lapsus vom Leitartikler, mal springt mich der satzgewordene Nonsens aus dem wörtlichen Zitat eines Politikers an. Diese Frühstücksfreuden werde ich ab sofort alltäglich hier unter der neuen Überschrift Sprechblasen rubrizieren und dokumentieren. Und mit dem Titelbild mache ich es mir ganz einfach, wie man sehen wird. (Vielleicht gewährt mir ja die SZ-Redaktion, wenn sie souverän genug ist, meine leidenschaftliche Anteilnahme an ihren Schwächen als Liebeskummer zu verstehen, demnächst ein Gratis-Abo, wer weiß?)