Archive for August 30th, 2009

Unschreibbare Romane II

Sunday, 30. August 2009

Einer der vielen Romane, die ich immer schon mal schreiben wollte, ist jener für das Science-Fiction-Genre von einem Neurologen, der bei der Messung sehr feiner Hirnströme von kürzlich Verstorbenen, die ihm mit einem von ihm entwickelten neuen Mikrosensor gelingt, auf den Gedanken verfällt, dass den vermeintlich entseelten Toten noch etwas Traumartiges durch den Kopf geht.

Vielleicht, so seine Spekulation, gebären die Zersetzungsvorgänge der Hirnrinde ja schreckliche Phantasien, die auffallend jenen albtraumhaften Vorstellungen ähneln, die seit Jahrhunderten mit Fegefeuer und Hölle verbunden werden.

Unser leicht verrückter Wissenschaftler beschließt, begrenzte Bezirke seines Gehirns für Erkundungen solcher Zersetzungsprozesse zu opfern und führt diese im Selbstversuch herbei. Diese waghalsigen Experimente bestätigen scheinbar seine Theorie. Allerdings sind die Schreckensszenen, die er im abgeschlossenen Theater seines Schädels aufführt, von kurzer Dauer.

Eine unangenehme Begleiterscheinung der autodestruktiven Eingriffe ist zudem, dass der Neurologe partiell mentale Ausfälle erleidet. Sein Gedächtnis weist irritierende Lücken auf. Er tut Dinge gegen seinen eigenen Willen. Die Versuchung, in einem finalen Showdown sein verbliebenes Gehirn zu opfern und dadurch letzte Gewissheit zu erlangen, wird unwiderstehlich.

Dann geschieht das Unfassbare … (Bis hierher und nicht weiter.)

Umzugsreste (II)

Sunday, 30. August 2009

Mit dem 31. Juli endeten Vertrag und Mietzahlungsverpflichtung in unserer „alten“ Wohnung, von der wir uns ursprünglich einmal so viel versprochen hatten, wovon das Wenigste eingelöst wurde, die wir aus allerlei Gründen schließlich sogar zu hassen gelernt hatten und als deren größter Makel sich erwies, dass sie leider keine „Seele“ hatte. („Seele“, in Anführungszeichen wohlgemerkt, versteht hier wohl jeder, auch jene Sorte säkularisierter Nüchterlinge, zu der leider auch ich mich zählen muss, die mit der Seele ohne Anführungszeichen als einer Art immaterieller Innerei des Menschen nichts anzufangen wissen, schon gar nicht, wenn sie ihnen als ein unverfallbares Agens für die Ewigkeit verkauft werden soll.)

Neue Freunde meiner Söhne bemerkten bei ihrem Antrittsbesuch in unserer „alten“ Wohnung nicht selten, dass diese Räume eine Kälte ausstrahlten, ohne genau sagen zu können, wodurch genau dieser Eindruck entstand. „War hier mal eine Zahnarztpraxis oder so was?“, fragte in aller Unschuld der siebzehnjährige P.

Vermutlich hatten wir bei der allerersten Besichtigung selbst genau diesen Eindruck gehabt, was damals auch erklärlich war, denn der Vormieter hatte die Räume nicht als Wohnung genutzt, sondern dort ein Institut für wissenschaftliche Analysen betrieben. An den Wänden liefen ringsum Kabelkanäle zur Vernetzung zahlreicher PCs, unsere spätere Küche war bisher als Fotokopierraum genutzt worden, unter den Decken hingen Plexiglaskästen mit Neonröhren usw. Wir aber hatten in wenigen Wochen alles, was nur von Ferne an die Büroatmosphäre gemahnte, restlos beseitigt, übertüncht, versteckt oder verfremdet. Deshalb war es einigermaßen erstaunlich, dass das kühle Institutsklima in dieser Wohnung bis zuletzt spürbar blieb, wie ein hartnäckiger Geruch nach Lysol, Salmiak oder Katzenpisse, der in den tiefsten Ritzen zu stecken scheint und mit keinem noch so radikalen Geruchsneutralisierer zu beseitigen ist.

Beim Einzug in die „neue“ Wohnung erlebten wir infolgedessen einen wahren Kulturschock. Hier steckt in allen Ecken und Winkeln Leben und Geschichte. Als wir vor Jahren die „alte“ Wohnung ausgemessen hatten, waren wir eher bereit, an der Präzision unseres Millimeterpapiers zu zweifeln als an den Gegebenheiten in diesem Zweckbau, wenn sich beim Aufzeichnen des Grundrisses einmal ein nicht ganz rechter Winkel ergab. Hier hingegen gibt es tatsächlich keinen einzigen ganz rechten Winkel – und diese leichte Schiefheit mutet uns so freundlich und menschlich an, dass wir uns fühlen wie in einem Märchen oder guten Traum.

Das Hexenhäuschen ist urgemütlich und hat „Seele“ satt; und die Hexe ist eine gute Fee!