Windschief

Neulich sah ich wieder mal Buster Keatons Kurzfilm One Week von 1920. Mir fällt zu dem Häuschen, das der handwerklich unbegabte Bräutigam seiner Braut errichtet, stets das Oxymoron vom “genialen Dilettanten” ein.

Komischer Zufall, dass 1981 beim Festival Genialer Dilletanten im Berliner Tempodrom auch Blixa Bargeld und seine Einstürzenden Neubauten auftraten, die sich seit dem Einsturz der Kongresshalle so nannten.

Dieses Gebäude hieß bekanntlich im Volksmund “Schwangere Auster”. Am Tag, als ich zum ersten Mal Vater geworden war, verließ ich den Kreißsaal und kaufte eine Zeitung. Auf der Titelseite wurde der Einsturz der “Schwangeren Auster” gemeldet.

Franz Schuh stellt die unfreiwillige Komik des Ungeschickten in den schiefen Rahmen eines Lobs der Nutzlosigkeit: “In einem Film baut Buster Keaton ein Haus für sich und die frisch Angetraute. Die Komik beim Hausbauen mag daran erinnern, daß es nicht immer leicht ist, ein Heim zu errichten, in dem man – auf der Grundlage des einander gegebenen Ja-Wortes – bis auf weiteres geborgen west. Man macht einen Plan, und für den Zuschauer ist es lustig, wenn er auf spektakuläre Art nicht funktioniert – auch weil in Keatons Film ein Feind dazwischengefunkt hat. Der Feind trägt den schönen Namen: Rivale. Der Rivale hat die Bestandteile des Hauses umnumeriert – Keaton wird zum freien Architekten jenseits seiner eigenen Pläne. Er baut ein in alle Richtungen hin windschiefes Haus.” (Franz Schuh: Schwere Vorwürfe, schmutzige Wäsche. Wien: Paul Zsolnay Verlag, 2006, S. 85.)

Mein Weblog ist auch ohne dazwischenfunkende, umnummerierende Rivalen durcheinander, windschief, schwanger. Ob’s dilettantisch ist? Ob’s genial ist? Ich selbst wohne ganz gemütlich drin, bald schon ein Jahr. Wenn Gäste kommen, zeige ich auf das Schild neben der Haustür: “Betreten auf eigene Gefahr!”