Archive for December 19th, 2008

Das Leben

Friday, 19. December 2008

„Es lebte ein Mann, der war ein sehr tätiger Mann und konnte es nicht übers Herz bringen, eine Minute seines wichtigen Lebens ungenützt verstreichen zu lassen.

Wenn er in der Stadt war, so plante er, in welchen Badeort er reisen werde. War er im Badeort, so beschloß er einen Ausflug nach Marienruh, wo man die berühmte Aussicht hat. Saß er dann auf Marienruh, so nahm er den Fahrplan her, um nachzusehen, wie man am schnellsten wieder zurückfahren könnte.

Wenn er im Gasthof einen Hammelbraten verzehrte, studierte er während des Essens die Karte, was man nachher nehmen könne. Und während er den langsamen Wein des Gottes Dionysos hastig hinuntergoß, dachte er, daß bei dieser Hitze ein Glas Bier wohl besser gewesen wäre.

So hat er niemals etwas getan, sondern immer nur ein nächstes vorbereitet. Er war nie einer ganzen und gesunden Minute Herr, und das war gewiß ein merkwürdiger Mann, wie du, lieber Leser, nie einen gesehen hast.

Und als er auf dem Sterbebette lag, wunderte er sich sehr, wie leer und zwecklos doch eigentlich dieses Leben gewissermaßen gewesen sei.”

[Ausnahmsweise in hektischen Zeiten mal „nur” ein Zitat. Das Feuilleton Das Leben von Victor Auburtin (1870-1928) erschien 1911 in der Sammlung Die Onyxschale im Verlag von Albert Langen in München. – In neuerer Zeit hat sich der Berliner Verleger Peter Moses-Krause um die Wiederentdeckung dieses vergessenen Meisters der Kleinen Form verdient gemacht. In seinem Verlag Das Arsenal erscheint seit 1994 eine auf sechs Bände angelegte Werkausgabe Auburtins, mustergültig ediert und in herzerfrischend schöner Ausstattung. Deren zweitem Band, Die Onyxschale und Die goldene Kette sowie andere Kleine Prosa aus dem Simplicissimus bis 1911, entnehme ich (von Seite 149) frecherweise diesen wundersamen Text und auch das Titelbild, in der Hoffnung, den einen oder anderen kennerischen Leser so auf ein verkanntes Genie der Kurzprosa aufmerksam machen zu können.]

High & Down

Friday, 19. December 2008

Mein Rechner hat vor ein paar Tagen Psilocybin eingeworfen und ist seither völlig von der Rolle.

Ich selbst bin infolgedessen, obwohl absolut nüchtern, ebenfalls neben der Spur. Wenn durch das Versagen eines solchen unentbehrlich gewordenen Arbeitsmittels die tägliche Routine außer Tritt gerät, dann spürt man schmerzhaft, wie abhängig man von dieser komplizierten und hochsensiblen Technik geworden ist.

Hinzu kommt die Panik, dass totaler Datenverlust dräuen könnte. Gerade noch rechtzeitig habe ich alle wichtigen Dateien auf meiner externen Festplatte sichern können. Aber auch die Perspektive, den Rechner komplett neu „aufsetzen” zu müssen, ist wenig angenehm – dazu noch vor den Weihnachtstagen, an denen meine Helfer sicher andere Pläne für ihre Freizeitgestaltung haben.

Diese kurze Schadensmeldung kommt mit einem Tag Verspätung, denn gestern ließ sich der berauschte Rechner überhaupt nicht mehr hochfahren. Dank der Intervention meines jüngsten Sohnes, der einen kleinen Trick erfolgreich zur Anwendung brachte, kann ich jetzt immerhin das Versäumte noch im vertretbaren Zeitrahmen nachholen. Schließlich habe ich im Impressum versprochen: „Täglich erscheint ein Beitrag mit jeweils fünf Absätzen, in seltenen Fällen erfolgt die Publikation eines Beitrags mit einem Tag Verzögerung.” Bislang konnte ich zu meinem Wort stehen. Dass nun eine Sendepause von zwei oder mehr Tagen drohte, hat mich an den Rand der Verzweiflung gebracht.

Nachdem nun immerhin eine provisorische Überbrückung das Schlimmste verhindert hat, kann ich dennoch der Frage nicht ausweichen: Was mache ich hier eigentlich? Vielleicht sollte ich doch besser zu Papier und Bleistift zurückkehren.