Archive for March, 2008

Beutelschneider

Monday, 31. March 2008

Eben klingelte das Telefon. Unterdrückte Rufnummer. Eine seriös klingende Männerstimme teilte mir mit, dies sei eine Automatenmitteilung. Jemand aus meiner Nachbarschaft habe mir eine wichtige Nachricht hinterlassen. Ich möge sie mir doch bitte auf der Website von www.nachbarschaftspost.com anhören. Dazu müsse ich nur die besagte Internetadresse aufrufen und meine ganz persönliche Codenummer eingeben, die der brave Mann mir dann dreimal hintereinander langsam und deutlich zum Mitschreiben vorsagte.

Leider gibt’s offenbar immer noch genug arglose Menschen, die auf solche betrügerischen Bauernfängereien reinfallen. Ein Blick ins Impressum der Firma, die sich diese Abzockerei ausgedacht hat, gibt jedenfalls schon zu denken. Die netsolution FZE residiert in der Sheikh Zayed Road in Dubai. Deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann man entnehmen, dass nach Ablauf der 14-tägigen Widerspruchsfrist für die nächsten zwei Jahre 9,00 € monatlich als Nutzungsgebühr für diese traumhafte Vermittlungsleistung anfallen. („FZE“ steht vermutlich als Abkürzung für „Fleißig zahlende Einfaltspinsel“.)

Es steht zu befürchten, dass wieder einmal etliche brave Leute in die Falle tappen werden und sich von ihrer Neugier in Versuchung führen lassen: „Wer aus meiner Nachbarschaft mag denn wohl auf diesem Weg Kontakt zu mir suchen? Doch nicht etwa die charmante junge Dame von nebenan, die immer so freundlich grüßt, wenn sie ihren Wagen vor meinem Haus parkt?“

Eine solche Illusion, die sich in wenigen Minuten in nichts auflöst, ist mit 216 € dann doch etwas überteuert, so schön sie auch gewesen sein mag. Zu diesem Tarif könnte man zum Beispiel der Nachbarin in den kommenden zwei Jahren etliche opulente Blumensträuße per Fleurop ins Haus schicken lassen.

Übrigens hat die Piratenfirma, die auch unter dem Namen Nachbarschaft24 segelt, den gleichen Trick vor ein paar Monaten schon per E-Mail erfolgreich angewandt. Jetzt also werden die Telefonkunden abgeschöpft. „Hallo! Schön dass du hier bist!“ So wird man auf den Internetseiten dieser Beutelschneider begrüßt. Purer Zynismus, denn deren Freude hat ihren einzigen Grund in ihrem ohne jede erbrachte Leistung täglich wachsenden Kontostand.

Lackmustest

Sunday, 30. March 2008

Pro.Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten anzuhängen und Informationen und Ideen mit allen Verständigungsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“ (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 19.)

Contra.Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Verantwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung.“ (Europäische Menschenrechtskonvention, Artikel 10, Absatz 2.)

Pro. Wenn wir den einschränkenden Absatz der Europäischen Menschenrechtskonvention dahingehend interpretieren wollten, dass künftig jede freie Meinungsäußerung, die die Androhung terroristischer Straftaten nach sich ziehen und so die nationale Sicherheit und die Aufrechterhaltung der Ordnung gefährden könnte, der Zensur zum Opfer fällt, dann können wir den demokratischen Laden dicht machen und die Zukunft unseres Rechtssystems der Shari’a überlassen.

Contra. Der Kurzfilm „Fitna“ des niederländischen Politikers Geert Wilders ist ein pamphletistisches Machwerk, sein Urheber ein eitler, rechtspopulistischer Provokateur.

Pro. Über jedes dieser ästhetischen und moralischen Verdikte können wir in der freien Welt trefflich und in Frieden streiten – aber nur dann, wenn der Film öffentlich zugänglich ist und bleibt. Schon im Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen haben das demokratisch verfasste Europa und seine Medien gegenüber dem militanten Islamismus eine Feigheit offenbart, die unserer kontinentalen Geschichte der letzten 250 Jahre Hohn spricht. Noch immer gilt der Satz von Rosa Luxemburg, dass Freiheit immer zuallererst die Freiheit der anders Denkenden ist; und ich muss mich, wenn ich nicht alle meine Ideale verraten wollte, dem Voltaire zugeschriebenen Satz anschließen, der sagte: „Du bist zwar anderer Meinung als ich, aber ich werde dein Recht, diese Meinung zu äußern, bis in den Tod verteidigen.“

Romanelesen

Saturday, 29. March 2008

Manchmal lese ich einen Roman mit mittelmäßigem Interesse, das sich zwischen Begeisterung und Enttäuschung nicht entscheiden kann. Dann stoße ich zum Beispiel (S. 132) auf einen einzigen kurzen Satz, der die Entscheidung bringt. Diesmal war es dieser: „Gretl sieht ihn an wie ein auf sie zu rasendes Auto.“ (Matthias Hirth: Angenehm. Erziehungsroman einer Künstlichen Intelligenz. München: blumenbar Verlag, 2007.)

Oft frage ich mich beim Romanelesen, ob ich mir in meinem Alter das Romanelesen eigentlich noch leisten kann. Lernen kann ich da längst nichts mehr, was mein eigenes Schreiben angeht. Ist das Romanelesen nicht eigentlich ein leicht anstößiges Laster, peinlich fast, wie wenn der Aufsichtsratsvorsitzende in seinem Hobbykeller das Krokodil durchs Gleislabyrinth seiner Märklin-Eisenbahn jagt?

Selten lege ich einen zeitgenössischen Roman ausgelesen beiseite in der festen Überzeugung, dass seinem Autor damit etwas wirklich Einzigartiges, Unverwechselbares gelungen ist: ein neuer Ton, eine nie zuvor berührte Stimmung, der Blick in einen Winkel, der bisher im Schatten lag. (So zuletzt geschehen mit Günther Rücker: Otto Blomow. Geschichte eines Untermieters. Berlin: Rütten & Loening, 1991. Komischer hat wohl noch niemand die anthroposophische Suada karikiert, wie Rücker im fünften Kapitel, S. 159-211.)

Immer leide ich unter dem Konflikt, welchen Roman ich nach dem Auslesen des letzten Romans als nächsten anlesen soll. Auf dem Regalbrett mit den vielleicht zu lesenden Romanen locken dann mindestens drei Dutzend Buchrücken; aber nur einer dieser Romane kann ’s schaffen, dass ich ihn herauszupfe, um ihm eine Woche oder zwei meiner Lebenslesezeit zu opfern. Für jeden sprechen, gegen jeden widersprechen Rezensionen, Hörensagen, Querverbindungen, Empfehlungen und Abfälligkeiten. Die Zeit zwischen den Romanlektüren wird mir regelmäßig zur Entscheidungsqual.

Nie finde ich den Roman, den ich selbst gern geschrieben hätte.

Hans Siemsen

Friday, 28. March 2008

Gestern sprach mich Beate Scherzer in der Buchhandlung proust an: ob ich den Autor Hans Siemsen kenne? „Hm! Schon mal gehört.“ Der Hintergrund: Im Verlag Das Arsenal (Berlin) erscheint dieser Tage der erste Band einer Werkausgabe von Siemsen. Ursprünglich war mal eine Veranstaltung bei proust mit dem Herausgeber Dieter Sudhoff geplant. Doch der ist, kaum älter als ich, im Juni vorigen Jahres plötzlich verstorben. Ob ich nicht vielleicht Lust hätte, mich mit dem Thema mal zu beschäftigen?

Heute hatte ich Zeit, mich über diesen Hans Siemsen (1891-1969) eingehender zu informieren. Der Mann scheint tatsächlich interessant zu sein. Er entstammt einer protestantischen Pfarrersfamilie aus Hamm. Seine älteren Geschwister Anna und August Siemsen saßen in den 1930er-Jahren als Abgeordnete für die SPD im Reichstag. Nach dem ersten Weltkrieg lebte Hans Siemsen als freier Schriftsteller in Berlin. Er schrieb für verschiedene avantgardistische und linke bis linksliberale Zeitschriften wie Pan, Franz Pfemferts Die Aktion und für die Weltbühne.

Vor fast vierzig Jahren ist Siemsen, nahezu völlig vergessen, in einem Heim der Arbeiterwohlfahrt in Essen gestorben. Nach der Flucht vor den Nazis nach Frankreich, vorübergehender Internierung, völliger Mittellosigkeit, einem kärglichen Dasein als Rundfunkjournalist in New York war er bei seiner Rückkehr in die Heimat Anfang der 1950er-Jahre ein zerstörter Mann, Alkoholiker – ein Pflegefall. (Schon mit Joseph Roth soll Siemsen im Pariser Exil gesoffen haben.)

Vor zwanzig Jahren brachte Michael Föster in seinem Essener Torso-Verlag eine dreibändige Ausgabe der Schriften von Hans Siemsen heraus. Diese verdienstvolle Edition ist heute selbst auf dem dank Internet so gut erschlossenen Antiquariatsmarkt eine Rarität; eher findet man noch die Erstausgaben seiner Bücher zu Preisen um 30 Euro. Der mittlerweile auch längst verstorbene Föster, der eine Villa gleich bei mir um die Ecke besaß, hat ein Magazin für Homosexuelle namens Torso herausgebracht. Auch Hans Siemsen war ein Schwuler.

Morgen muss ich mal in meinen Bücherkatakomben suchen. Irgendwo in einer tief vergrabenen Kiste müsste sich noch das eine oder andere Heft von Torso finden lassen. Mit viel Glück könnte eins dieser Hefte einen Aufsatz von Föster über Hans Siemsen enthalten. Das war schon immer so: Wenn ich das Gefühl habe, dass sich mir eine fremde Biographie entzieht, weil die Quellenlage dürftig ist; wenn ich ein vergangenes Leben zu meinen Füßen wie ein schmales Rinnsal versickern sehe – dann ist erst recht meine brennende Neugier geweckt.

Die Canettis

Thursday, 27. March 2008

vezacanetti

Paketpost. Neulich las ich das André-Müller-Interview mit Elias Canetti vom Dezember 1971, wo es in einer Fußnote zu dessen Frau Veza heißt: „starb durch Selbstmord“. Bei Wikipedia klingt es vorsichtiger: „Veza Canetti starb 1963 im Exil in London, wo sie und ihr Mann seit 1938 lebten, wahrscheinlich durch Selbstmord.“ In neutralen Quellen liest man lediglich, dass Veza Canetti am 1. Mai 1963 in einer Londoner Klinik starb.

Herr Canetti (Nobelpreisträger 1981) war mir eine große Versuchung, wie alle Solitäre der Literatur, die nirgends leichthin einzuordnenden, widerspenstigen Einzelgänger, wie etwa Borges, Nabokov, Kafka, Robert Walser oder Hamsun. (Ich könnte aus dem vergangenen Jahrhundert noch ein weiteres gutes Dutzend nennen.) Canettis dreibändige Autobiographie las ich flott und mit Vergnügen, in seinem ehrgeizigen Zentralwerk Masse und Macht blieb ich nach wenigen Seiten stecken, seinen Roman Die Blendung legte ich nach einem knappen Drittel beiseite mit dem festen Vorsatz: „Deine Stunde wird mir noch schlagen.“ Das ist wohl zwanzig Jahre her.

Bruder Georges. Für körperliche Krankheiten als Symptome epochaler Krisen der Geistesgeschichte habe ich mich schon immer interessiert. Artaud als Magier der Pest, Panizza als Inkubus der Syphilis. Und natürlich die Tuberkulose. (Thomas Mann und sein Zauberberg? Ach Gottchen, ja.) Georges Canetti, der älteste der drei Canetti-Brüder, erkrankte selbst an TB, wurde später als Mediziner ein Spezialist für die Schwindsucht. Und verliebte sich in seine Schwägerin Veza. Eine Komplikation. (Susan Sontag hat mit Krankheit als Metapher ein mindestens originelles Buch geschrieben zu diesem Thema, das ihr auch körperlich nahe ging. In der Post-Aids-Ära warten wir – unausgesprochen, geduckt, zitternd, neugierig – doch eigentlich längst auf die nächste Seuche, oder? Die Vogelgrippe, der Rinderwahn, Morbus Alzheimer: diese Schreckgespenster hielten und halten doch allesamt nicht, was sie versprachen. Vielleicht, so es denn zukünftig noch eine Medizin-Geschichtsschreibung geben sollte, wird man dereinst Adipositas und Anorexie als die bipolare Doppelseuche des angehenden 21. Jahrhunderts identifizieren.)

Frau Canetti, die in Wien als Venetiana Taubner-Calderon geborene erste Frau des Schriftstellers, fast acht Jahre älter als ihr genialischer, mitunter verschrobener, von Selbstmordideen geplagter Gatte, der immer „auf dem Seitensprung“ war: nach rechts Richtung Eros oder nach links Richtung Thanatos; und der ohne Vezas klug regulierendes Geschick den Mittelweg wohl kaum hätte halten können, auf welchem ihm sein beachtliches Werk gelang – auf Kosten ihrer eigenen Schreibbegabung. (Erst posthum erschienen ihre Romane, Erzählungen und ein Bühnenstück, gnädig „freigegeben“ von Elias, dem lebenslangen Schattenwerfer. Am 19. April 1948 schreibt Veza an ihren Mann: „Du schreibst das Leben, aber wenn Du lebst, verschreibst Du Dich.“)

Paketpost also. Heute trifft ein das Buch von Veza und Elias Canetti: Briefe an Georges, gerade mal zwei Jahre alt – und schon wieder im Antiquariat. Eine komplizierte, in allen Untiefen wohl unauslotbare, schicksalhafte Dreiecksgeschichte. Eine Korrespondenz, die durch glückliche Fügung und den Spürsinn des Hanser-Lektors Kristian Wachinger in einem Pariser Keller vorm Verschimmeln in einem großen Überseekoffer gerettet wurde. (Wieder eins dieser doch auf den ersten Blick eher marginalen Bücher, von denen ich mir insgeheim, unermüdlich, penetrant erhoffe, dass sie mir aus ihrer Randständigkeit, aus ihrer so sehr speziellen, schwachen Perspektive heraus vielleicht Aufschluss geben könnten über das Wurzelhafte, Kernige, Existenzielle unseres so kläglich verunglückenden Daseins.)

Sozialskandal

Wednesday, 26. March 2008

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Wieder mal ist ein Hartz-IV-Skandal ruchbar geworden. Die Süddeutsche Zeitung (Nr. 71, S. 5) berichtet heute von einer Familie mit neun Kindern, die knapp zwei Jahre lang durchschnittlich 3846,38 Euro monatlich von der Bundesagentur für Arbeit erhalten habe, weil der Vater arbeitslos war. BILD hatte das bereits gestern gemeldet und diesen Zustand „unfassbar“ genannt.

Für BILD ist das Thema arbeitsloser Schmarotzer, Parasiten und Sozialbetrüger bekanntlich ein Dauerbrenner. Fotos von fröhlich grinsenden Arbeitsscheuen, die auf Kosten ehrlicher, schwer schuftender Niedriglohnempfänger alle Viere von sich strecken und gar noch Urlaub in der Karibik machen – damit lassen sich schlichte Gemüter in Wallung bringen.

Für mich als Vater von „nur“ fünf Kindern ist zwar nicht gleich „unfassbar“, aber doch immerhin schwer vorstellbar, wie elf Personen eines Haushalts mit knapp 4000 Euro monatlich zwei Jahre lang über die Runden kommen konnten. Aber mit dieser auf Erfahrung gegründeten Einschätzung stehe ich auf verlorenem Posten, machen doch Familien mit mehr als drei Kindern in Deutschland kaum ein Prozent aller Bedarfsgemeinschaften aus.

Zu wünschen wäre ein investigativer Journalist, der sich an Ort und Stelle darüber unterrichtet, wie das Leben dieser bedauernswerten Großfamilie in den vergangenen zwei Jahren tatsächlich ausgesehen hat und auf Heller und Pfennig vorrechnet, dass der nur auf den ersten Blick beeindruckend hohe Haushaltsetat gerade einmal zum Allernötigsten gereicht haben kann. Aber wen interessiert das schon?

Wenn etwas unfassbar ist, dann der leichtfertige Missbrauch substanzloser, abstrakt bleibender Zahlen durch die Medien, die damit Meinungen nicht bilden helfen, sondern bestehende Vorurteile zementieren.

Dienstag, 25. März 2008: Netzschach

Tuesday, 25. March 2008

Schach aus Holz.

Der Tag war eben gerade mal 23 Minuten alt, da eröffnete ich als Weißer eine Partie Schach gegen meinen Sohn Valentin. Ungewöhnlich daran war erstens, dass wir uns nicht wie sonst am Brett gegenübersaßen, sondern online spielten in der „Schacharena“.

Diese neue Möglichkeit der Begegnung, eine von vielen in der wunderbaren Welt des World Wide Web, hätten wir auch nutzen können, wenn Valentin gerade mal wieder in Neuseeland, Alaska oder im Tschad unterwegs gewesen wäre. Tatsächlich saß er aber zweitens nur fünf Meter (Luftlinie) entfernt von mir in seinem Zimmer.

Das ist gerade so, als würde man am Sonntagmorgen mit dem voll getankten Sattelschlepper zum Bäcker um die Ecke fahren, um Brötchen zu kaufen. Ein hinkender Vergleich? Gar nicht mal, denn man weiß doch inzwischen, dass eine einzige Google-Abfrage so viel Energie ver­braucht wie eine Elf-Watt-Sparbirne in einer Stunde.

Immerhin hat das Brettspiel auf Distanz, von Monitor zu Monitor, durchaus seine Reize: Wir spielen auf Zeit, ohne Gefahr, das Drücken der Schachuhr zu vergessen; unsere Elo-Punkte werden anschließend automatisch berechnet; und der Spielverlauf wird Zug für Zug dokumentiert. Vor allem aber reduziert die technische Übertragung des Spiels die organischen Lebensäußerungen des Kontrahenten auf ein Minimum. Ich habe mal eine schon gewonnen geglaubte Partie wegen eines irritierenden Schluckaufs meines Gegners doch noch verloren. Heute Nacht war das einzige Lebenszeichen meines Sohnes diesseits des digitalen Schachbretts sein Aufschrei aus dem Nebenzimmer, nach meinem 22. Zug, mit dem ich ihn um kurz nach eins matt setzte.

Der Zutritt zur virtuellen Welt erschließt durchaus neue Erfahrungen. Problematisch wird es nur, wenn man darüber die gute alte wirkliche Welt vergisst. Die nächste Partie spielen wir wieder „in real life“, vis-à-vis an einem Schachbrett aus Holz.

Sesam, öffne dich!

Monday, 24. March 2008

Der Revierflaneur geht einen neuen Weg! Seit einem Jahr blogge ich regelmäßig bei Westropolis, dem Kulturblog der WAZ-Mediengruppe. Manche Themen fanden dort nicht den rechten Platz – und deshalb habe ich mir zu Ostern 2008 hier eine weitere Behausung für meine anachronistischen Einlassungen zum Zeitgeschehen geschaffen.