Entschleunigung

lichtspuren

Selbstbewusster Anachronismus ist das Allheilmittel des frohgemuten Pessimisten gegen die Wunden, die ihm die immer auf Beschleunigung gestellte Kommunikationsturbine unserer Tage mit Klingen Marke Gillette ins wehe Fleisch schlägt.

Ich Ahnungsloser habe für ein Weilchen geglaubt, als Trittbrettfahrer eines Medienkonzerns von der Gunst jener Stunde profitieren zu können, als dessen Chefsesselwärmern der Arsch auf Grundeis ging und sie befürchteten, dass ihnen ihre Leser und Abonnenten vom neuen Medium Weblog weggebaggert würden. Ich habe mich von der Illusion verführen lassen – ungeachtet aller Stupidität der Blätter, durch deren alltägliche Veröffentlichung besagter Konzern, leider nicht nur er, die Wälder dieser Welt auf dem denkbar kürzesten Weg in die blaue Tonne befördert –, meinen bescheidenen Beitrag leisten zu können zu einem künftigen, ressourcenorientierten und zudem demokratischeren Kommunikationsmodell.

Tempi passati! Nach anderthalb Jahren als Gastautor bei Westropolis bin ich schlauer. Die fruchtbaren Erfahrungen, die ich in der Zeit meiner anfänglich blauäugigen Hospitanz gesammelt habe – ich ziehe untertänigst meinen Zylinder – kompensieren allemal das karge Honorar, das währenddessen aus der prallen Kasse des Reviermonopolisten und Meinungsmachers auf mein darbendes Konto floss.

Nun gilt es, auf die Bremse zu treten und Schritt für Schritt, ich habe ja schließlich die nötige Muße für eine gediegene Reflexion des lehrreichen Intermezzos, die Höhen und Tiefen dieser Erfahrung Revue passieren zu lassen – zumal ich der Flüchtigkeit und Vergesslichkeit des neuen Mediums ein Schnippchen geschlagen und alles Geschehene sorgfältig dokumentiert habe. (Auf die Cache-Funktion von Google habe ich mich nur einmal, ein entscheidendes Mal zu viel verlassen.)

Und was das Schönste ist: Ich habe zu diesem Recycling vorbeigehuschter Abfälle des Medienspektakels alle Zeit der Welt. Der Undercover-Agent ist über die grüne Grenze entwichen und hat seine Tagebücher, nahezu lückenlos geführt, mit sich genommen. Ob es jemanden interessiert, interessiert ihn immerhin am Rand; denn am Rande hausen jene, denen die Mitte längst schon fremd geworden ist. Und auf diese Marginalisierten kommt es vielleicht irgendwann, vielleicht schon bald in Zeiten der Beschleunigung einmal an.