Apostroph

apostroph

„Wie geht’s? Wie steht’s?“ Danke der Nachfrage, liebe Leserin, aber es könnte besser stehen und gehen. Ich habe mich nämlich in den letzten Tagen mit einem Problem herumschlagen müssen, das in seiner Unscheinbarkeit und Bedeutungslosigkeit kaum der Rede wert erschiene und das hier auszuwalzen mir zutiefst widerstrebt. Aber wenn die bezaubernde Leserin so anmutig und offenherzig fragt, kann ich unmöglich die Antwort schuldig bleiben. Ich will versuchen, so schnell wie möglich zur Sache zu kommen, muss aber doch leider etwas weiter ausholen, mindestens dies hier vorausschicken.

Erst jüngst habe ich mein Impressum renoviert und dort ein kleines Kapitelchen zum Thema Sorgfalt meines Weblogs eingebaut, als eine Art ethisches Tiefparterre direkt überm Basement der Grundvoraussetzungen. (In der Architektur des Impressums steht die Welt zwar auf dem Kopf und das „Basement“ thront ganz oben, dort wo sich bei den aus Stein gebauten Häusern das Dach befindet. Aber das nur nebenbei.) In diesem vollmundigen Selbstbekenntnis zu gnadenloser Sorgfaltspflicht heißt es gleich eingangs: „Der Betreiber der Website revierflaneur.de ist um Fehlerfreiheit in formaler und inhaltlicher Hinsicht bemüht. Der Text folgt den Regeln zur deutschen Rechtschreibung und Zeichensetzung in der reformierten Form von 1996 (mit den Änderungen von 2004 und 2006).“ Die versprochene Folgsamkeit ist aber, wie sich in tausenderlei kleinen Fällen und Unfällen immer wieder erweist, leicht versprochen und schwer gehalten.

Gnädigste! Wenn Du schon so harmlos und leichtin fragst, wie es um mich bestellt ist, kann ich Dir die erschöpfende Erklärung meines Verdrusses nicht ersparen. Du hast leichtfertig Deine Frage salopp verkürzt, indem Du fragtest: „Wie geht’s? Wie steht’s?“ Hättest Du Dir den Bruchteil einer Sekunde mehr Zeit gelassen und stattdessen ausführlicher gefragt: „Wie geht es? Wie steht es?“ – uns beiden wäre mancherlei erspart geblieben. Dir diese längliche Antwort, mir der Verdruss einer umständlichen Untersuchung.

Meine begnadete Lektorin, ein Geschenk des siebten Himmels, in dem zu schweben mir erst die Gnade eines unverdienten Schicksals gestatten wird, wenn der allerletzte unscheinbare, für gewöhnliche Sterbliche nahezu unerkennbare Fehler in meinen öffentlich gemachten Hirngespinsten das Zeitliche gesegnet hat, merkte nämlich schon bei früherer Gelegenheit an, vor dem Apostroph sei ein Zwischenraum zu setzen: „Wie geht ’s? Wie steht ’s?“ Dafür hatte sie gute Gründe, deren bester auf den Respekt gebietenden Namen DIN 5008 hört, das ist die Deutsche Industrienorm mit den Schreib- und Gestaltungsregeln für die Textverarbeitung. Dort lautet die Regel: „Dem Apostroph am Wortanfang geht im Allgemeinen der regelmäßige Wortzwischenraum voran.“ Aber ’s kam anders.

Seit ich nämlich den unmissverständlichen, eindeutigen und wohlbegründeten Korrekturhinweis meiner Lektorin erhalten hatte, mühte ich mich redlich, ihn zu befolgen – so sehr mir dies aus zugegeben gänzlich irrationalen, nicht DIN-beständigen Gründen widerstrebte. Ich las nämlich so allerlei, Pynchon, Polgar etc. pp., und auf Schritt und Tritt sprangen mir all die macht’s, hat’s, kann’s, will’s, schlägt’s, schreit’s, geht’s und steht’s ins Auge – alleweil ohne den industriell geforderten Zwischenraum. Schließlich meldete ich bei meiner Lektorin Bedenken an, die wieder einmal keine Mühen scheute und die Frage der Lücke der höchsten Instanz für solche Fragen vortrug, dem „Rat für deutsche Rechtschreibung“ in Mannheim. Von dort kam prompt die ebenso freundliche wie salomonische Antwort: „Liebe Frau C., ganz allgemein ist zu sagen, dass der Apostroph im Deutschen eine Auslassung kennzeichnet. Dabei gibt es Gruppen, bei denen der Gebrauch des Apostrophs vorgeschrieben ist und solche, bei denen der Gebrauch freigestellt ist. Zu erster Gruppe gehören beispielsweise Wörter, die bei fehlender Kennzeichnung schwer verständlich wären (In wen’gen Augenblicken). Dem Schreibenden freigestellt ist der Gebrauch des Apostrophs bei Wiedergabe von Auslassungen der gesprochenen Sprache (Das war’n Bombenerfolg!) – vergleiche dazu §96 und §97 im amtlichen Regelwerk. In Ihrem Beispiel wie geht’s handelt es sich um eine Auslassung, die aus der gesprochenen Sprache resultiert. Eine fehlende Kennzeichnung wie bei wie gehts würde nicht zu Missverständnissen führen. Demnach ist ein Apostroph nicht zwingend zu setzen. Die im Duden angegebene DIN-Norm für Textverarbeitung gibt an, dass vor dem Apostroph am Wortanfang ein Leerzeichen steht, dass aber in der umgangssprachlichen Abkürzung für es dieses Leerzeichen meistens weggelassen wird. Ihr Beispiel kann also folgerndermaßen geschrieben werden: wie geht’s oder wie gehts.“ – Meine Söhne sagen in solchen Fällen verquaster Indifferenz immer: „Geht’s noch?“ Und zwar ohne Lücke.

2 Responses to “Apostroph”

  1. Matta Schimanski Says:

    Davon mal abgesehen: “DIN-Norm” ist doppelt gemoppelt – ‘s unterläuft halt auch der höchsten Instanz der eine oder andere Lapsus.
    So kann ‘s gehn (oder geh’n?). Gähn.

  2. Revierflaneur Says:

    Schade, dass die Koryphäe die ISBN-Nummer der DIN-Norm nicht angegeben hat. Schnarch.

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