Sonntag, 12. Februar 2012

Mit ziemlich besten Freunden in der Lichtburg, Deutschlands größtem Kinopalast, wie es in der Werbung wohl zutreffend heißt. Vorm Eingang zwei frierende Obdachlose, ein Mann und eine Frau um die Vierzig. Er sagt munter sein Sprüchlein auf: „Guten Abend! Hätten Sie wohl auch etwas übrig für uns Wohnungslose, bei der schrecklichen Kälte?“ Seit ich bei jedem Lebensmitteleinkauf die Ziffern hinterm Komma vergleichen muss, bin ich noch unwilliger als schon zuvor, mich auf diese Weise um mein Kleingeld erleichtern zu lassen, bloß damit ein armer Teufel für ein paar Stündchen seinen Alkoholpegel nachjustieren kann. Eine vorgestanzte Ausrede habe ich aber auch nicht parat, das überlasse ich meiner Tagesstimmung. Diesmal sage ich etwas wie „Och nö! Ich hab selbst kein Geld, fünf Kinder, tut mir leid.“ Gleichzeitig läuft vor der Kinokasse die Diskussion, ob wir uns Balkon leisten sollen oder mit Parkett Vorlieb nehmen. Unterdessen spricht mich nun die Frau mit einem ähnlichen Sprüchlein an, worauf ich nun etwas ungehalten reagiere, „Wie ich schon sagte …“ Dabei beginnt sich nun ganz gegen meinen Vorsatz in meinem Innersten ein kleines Schuldgefühl einzunisten, das aber ausgerechnet von dem Mann ohne Wohnung im Keim erstickt wird, indem er seine Bettelpartnerin anfährt: „Wie oft hab ich dir schon gesagt, du sollst die Leute nicht anquatschen, die ich schon gefragt hab! Pass doch gefälligst mal besser auf.“ Unser Film ist Ziemlich beste Freunde von Olivier Nakache und Eric Toledano, eine französische Komödie nahezu ohne den befürchteten Klamauk, mit einem pechschwarzen Omar Sy als charmantes Großmaul Driss und François Cluzet als Millionär im Rollstuhl. Ich amüsiere mich prächtig bis zu der Stelle, wo Driss eine kalte Nacht mit ein paar kiffenden Pennern im Freien zubringen muss. Der Vergleich zwischen Film und Realität stößt mich doch wieder auf meinen Generalvorbehalt: Selbst die wenigen mir erträglichen Filme, die es heute gerade noch in die großen Kinos schaffen, zeigen eine glasierte Scheinwelt, in der selbst die Penner gestylt wirken. Hätten wir im Parkett gesessen und wären die beiden lebensechten Wegelagerer nicht längst vor der Kälte geflohen, ich hätte die gesparten zwei Euro vielleicht doch noch gespendet.