Einige Steine

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Manche haben mir gelegentlich Steine in den Weg gelegt. Früher habe ich einmal Steine übers Wasser hüpfen lassen. Manche Steine erinnerten mich an etwas, an ein Gehirn, Herz, Nieren, oder an einen unbekannten Tierknochen. Steine zu sammeln schien mir immer zu schwer. Ich wollte mich nicht noch damit belasten, vermeintlich unansehnlichen Steinen Unrecht zu tun. Eins, zwei, drei, vier Eckstein, alles muss versteckt sein, aber warum vier? Auch Steine haben dem Versmaß zu gehorchen, das ist das Mindeste, was von Steinen zu verlangen ist.

Die meisten Steine haben mehr Vorzüge als Nachteile. Sie sind viel dauerhafter als ein menschliches Gefühl, als Heimweh, Durst oder Langeweile. Wenn du einen Stein fortwirfst, hast du ihn bald vergessen. Nicht aber der, den er trifft. Ein Stein in der Faust gibt ein Empfinden von Sicherheit, zugleich kühlt er das erhitzte Gemüt, worauf es dann selten wirklich zum Totschlag kommt. So ist das steinige Wesen eigentlich ein friedvolles.

Einen Stein aus der Hand zu legen ist eine zu wenig gewürdigte Geste. Man müsste sie bildlich darstellen, nicht bloß aufschreiben. Vielleicht würde sich ein Mosaik anbieten. Jede einzelne Mauer war einmal ein Vielerlei abgelegter Steine, etwas Zerstreutes, und wird wieder dazu werden, mach dir nichts vor. Es ist ja auch keine Katastrophe, wie viele oft meinen, dieser Niedergang, diese Auflösung, dieser Zusammenbruch. Schon der Neubau trägt auch die Ruine in sich. So wird die ganze Welt zuletzt barrierefrei sein.

Hinkelsteine, Edelsteine, Nierensteine. So schwer dir ein Stein auf der Seele liegen kann, so wohl wird dir, wenn dir ein Stein vom Herzen fällt. Auch der Stein des Anstoßes ist nicht feindlich, genau betrachtet. Wie sollten wirklich neue Gedanken ins Rollen kommen ohne Anstößigkeiten?

Und schließlich kannst du dir auf Steine mancherlei Reime machen. Damit lasse ich dich aber jetzt alleine. Ich mache keine.

[Dieses 500ste Steinchen zu meinem Blogbau schenke ich Michaela Coerdt zum 50sten Geburtstag.]

5 Responses to “Einige Steine”

  1. Michaela Says:

    Beinah möcht ich sagen: Zum Steinerweichen.

    Wunderschön. Danke!

  2. socursu Says:

    Ich würde mich an dieser Stelle gerne den Glückwünschen anschliessen- und da mein geringfügig jüngerer Bruder gleichfalls den Herrn aus Myrna knappst verfehlte (3H59m zu spät), passend zum wundervollen Text noch die kurze Sentenz, mit der seine mitgeheiratete Tochter im zarten Alter von sechs Jahren sein Herz eroberte (ihre Mutter kam dann später): im Betrachten der artgerecht angesiedelten saxifraga im Gewächshaus nach langem, gemeinsamen, besonnten Sinnen ein “Ich glaube, Steine haben sehr viel Zeit!”

  3. Michaela Says:

    Auch wenn ‘s im Prinzip ein banaler Kommentar ist:
    Vielen Dank für die Glückwünsche!

    In der Klasse 6b hob am Montag nach der Frage: “Wie alt werden Sie eigentlich?” ein munteres Raten an: Von 35 (!!) bis 99 war so ziemlich jede Zahl dabei. Mein Lieblingstipp (in sehr vorsichtiger Manier vorgetragen): “Frau C., ich will ja nicht unverschämt sein – aber ich tippe auf 42.” – Nun habe ich einen neuen Lieblingsschüler.

  4. Günter Landsberger Says:

    Auch ich schließe mich den Glückwünschen sehr gerne an. Viel Glück und Freude in der neuen Jahrhunderthälfte! Jeder Interpret, ob männlich oder weiblich, darf übrigens den Zeitpunkt der “Hälfte des Lebens” bei Hölderlin, hab ich mir sagen lassen, inzwischen interpretatorisch frei bestimmen, sofern er sich (der Fortschritte der Medizin wegen?) nicht mehr an die Auskunft des Psalmes 90 halten will oder möchte.

  5. Michaela Says:

    Ebenfalls danke!

    Übrigens wurde am 7. Dezember dieses Jahres Tom Waits 60!

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