Orgelkonzert

Nun kenne ich die Evangelische Kirche Rellinghausen auch von innen. Heute gab der international bekannt Organist und Orgelkomponist Gerd Zacher, der seit vielen Jahren in Essen lebt, ein Konzert aus Anlass seines 80. Geburtstags am 6. Juli. Er spielte zum Beginn und zum Abschluss zwei Ricercari aus dem Musicalischen Opfer von Johann Sebastian Bach, sodann drei eigene Kompositionen: Szmaty (1968), Trapez (1993) und Vocalise (1971).

Der Kircheninnenraum ist völlig unbedeutend, seine Schlichtheit bloß gewöhnlich, frei von jedem „negativen Pathos“. Vielleicht fünfzig Personen meist älteren Jahrgangs hatten sich eingefunden. Sie applaudierten der stellenweise geradezu schmerzhaft schrillen und unberechenbaren Musik, vermutlich aber wohl eher ihrem Interpreten, der hier viele seiner Werke uraufgeführt hat, mit Anstand und Ausdauer.

Die viermanualige Orgel der Firma Karl Schuke (Berlin), die hier im Jahr 1968 in Betrieb genommen worden ist, bietet nach den Worten von Sabine Rosenboom, der Kantorin der Evangelischen Kirche Rellinghausen, „reiche Möglichkeiten der klanglichen Kombination der Register (Klangfarben), da die vier verschiedenen Werke – das Hauptwerk, Rückpositiv, Brustwerk und Schwellwerk – eine für diese Größenordnung erstaunliche Vielgestaltigkeit im Miteinander und Gegeneinander des Musizierens“ erlauben.

Ebenfalls aus Anlass des Geburtstags von Gerd Zacher erschien ein Werkverzeichnis des Komponisten, Interpreten und Musikschriftstellers, das von Verena Funtenberger, der Leiterin der Musikbibliothek in der Essener Stadtbibliothek, zusammengestellt und am heutigen Abend kostenlos verteilt wurde. Das Heft hat 136 Seiten und enthält auch eine lesenswerte „Biographie mit Koordinaten“ Zachers von seinem langjährigen Weggefährten, dem chilenischen Komponisten Juan Allende-Blin, sowie ein Gespräch, das Matthias Geuting mit Zacher geführt hat, unter der programmatischen Überschrift: „Je zweckfreier die Musik bleibt, um so hilfreicher wird sie“.

Meine Gefährtin freilich, die ein so viel feineres und geschulteres Ohr hat als ich, konnte dieses Klangerlebnis nicht als reines Vergnügen empfinden. Selbst die Stücke von Bach, den sie doch sonst über alles stellt, waren in Zachers Interpretation gar nicht nach ihrem Geschmack. Ich möchte es mit meinem Interesse an Gerd Zacher damit aber dennoch vorläufig nicht bewenden lassen, gibt es doch allerlei, was meine Neugier wach hält; und sei es die bisher nur im Manuskript vorliegende, kleine Schrift Über den Zufall in der Musik „chance operation and discipline“ (John Cage), die auf S. 102 des Werkverzeichnisses genannt wird.

[Titelbild: Gerd Zacher während der Interpretation Nr. 10 No(-)Music © Anita Jakubowski 1987.]