Luxus & Hunger

Ausgerechnet heute kam die Süddeutsche Zeitung, auf die abonniert zu sein ich mir eigentlich nicht mehr leisten kann, um Stunden verspätet. An „Brückentagen“ zwischen einem Feiertag wie gestern und dem Wochenende hat der örtliche Zustelldienst nämlich regelmäßig frei und die Zeitung kommt mit der „normalen“ Post, die unseren Briefkasten erst in der Mittagszeit füttert. Dabei war ich doch diesmal so gespannt auf die Magazin-Beilage, ein Themenheft zur Frage: „Was ist Luxus?“

Im Idealfall sind solche Magazine ja tatsächlich eine Fundgrube für jeden, der sich den Luxus einer vorbehaltlosen Nachdenklichkeit nicht nur leisten, sondern ihn zudem auch noch mit einer an Skrupellosigkeit grenzenden Gelassenheit genießen kann. „Dann schaun wir doch mal, was sie aus diesem Thema machen.“ Das ist regelmäßig die Frage, die nichts kostet, mit keinerlei Risiko verbunden ist. Wenn das Heft enttäuscht, darf man sich an stiller Häme schadlos halten. Und wenn die Redakteure ein inspirierendes Meisterwerk feuilletonistischer Prosa ins Land geschickt haben, dann hat man wieder für ein Weilchen das schlechte Gewissen beruhigt, über seine Verhältnisse zu leben.

Manchmal reicht schon ein einziger Satz in einem solchen Heftchen, um mir den Tag zu versüßen. Heute war es leider nur der halbe Tag, weil das SZ-Magazin ja verspätet eintraf. Der Satz steht auf Seite 10, in der regelmäßigen Kolumne „Das Prinzip“ von Tobias Kniebe. Er wird fälschlicher-, ja böswilligerweise der Pop-Sängerin Mariah Carey zugeschrieben, die ihn aber, das schickt Kniebe ihm voraus, niemals gesagt hat. (Kürzlich hatte ich noch bei SPON gelesen, dass diese „Pop-Rekordhalterin“, die in den USA mehr Nummer-1-Hits als Elvis Presley gelandet und sich, als „Presswurst“ verhöhnt, zur Traumfigur „diätet“ habe, Gerüchten zufolge soeben im „Blitzverfahren“ heiratete – wen auch immer; und wer auch immer diese Mariah Carey sein mag.)

Und jetzt lese ich im SZ-Magazin diesen von Carey niemals gesagten Satz: „Wenn ich den Fernseher anmache und die armen verhungernden Kinder in aller Welt sehe, muss ich hemmunglos weinen. Ich meine, natürlich wäre ich auch gerne so schlank, aber nicht mit den Fliegen und dem Tod und dem ganzen Zeug.“

Kniebe teilt weiterhin mit, dass dieses Zitat, eine satirische Erfindung aus dem Internet, „seinerzeit“ um die Welt gegangen sei und „von Malmö bis Mombasa“ Empörung ausgelöst habe. Das habe ich wohl verpasst, ich kannte den Satz bisher nicht. Er bringt mich aber zu dem vorläufigen Schluss, dass das SZ-Abonnement für mich kein Luxus ist, sondern mich mit einem lebenswichtigen Grundnahrungsmittel versorgt. (Kniebes Thema übrigens, in seiner Rubrik „Das Prinzip“, lautete im heutigen Luxus-Themenheft: „Hunger“.)

9 Responses to “Luxus & Hunger”

  1. Matta Schimanski Says:

    Ein paar Grundinformationen zu Mariah Carey; aus Wikipedia:

    Mariah Carey (* 27. März 1970 in Huntington, Long Island, New York) ist eine amerikanische R&B-Sängerin, Songschreiberin, Produzentin und Schauspielerin. […] Bekannt ist sie für ihren Stimmumfang von fünf Oktaven und ihre Fähigkeit, im Pfeifregister zu singen, welches sie in vielen Liedern demonstriert. Ebenso bekannt ist sie für das Belting, […].

    Mariah Carey wurde am 27. März 1970 in Long Island im Bundesstaat New York als drittes Kind des afro-venezolanischen Technikers Alfred Roy Carey und seiner Frau, der irischen Opernsängerin Patricia Hickey, geboren. Als multikulturelle Familie waren die Careys auf Grund rassistischer Anfeindungen gezwungen, im Laufe der Jahre mehrmals ihren Wohnort zu wechseln. […]

  2. Revierflaneur Says:

    Aber das wäre doch nicht nötig gewesen!

  3. Günter Landsberger Says:

    Mir ist die Carey schon deswegen – zufälligerweise? – bekannt, weil beide Töchter noch vor Jahren für sie schwärmten.

  4. Günter Landsberger Says:

    Gestern kam die SZ auch bei mir sehr spät mit der Post. Heute morgen war sie wieder pünktlich da.
    Gestern fand ich übrigens auch noch die Seite “Blogs und Zensur” ganz interessant und neben vielem anderen auch den Verweis auf das SWR-Hörspiel nach Lion Feuchtwangers Roman “Erfolg”.

  5. Matta Schimanski Says:

    @Revierflaneur:

    Nein, Manuel, wäre es sicher nicht.

    Aber ich finde, man kann sie und ihre Musik oder auch die Art und Weise, wie sie in der Öffentlichkit auftritt, scheiße finden und trotzdem gewisse Fakten anerkennen, z. B. ihren großen Stimmumfang etc.

    Um das auch noch klarzustellen: Ich bin k e i n Mariah-Carey-“Fan”!

  6. Revierflaneur Says:

    Liebe Matta, vielleicht stehen schwankende Brustumfänge ja in einem Kausalzusammenhang zu großen Stimmumfängen, wer weiß? Korrelationen zwischen Fettanteil und Vokalisationspotenzialen? Der Einmaligkeit von Maria Callas, gertenschlank wie sie war, würde dies sicher noch eine besondere Bewunderungswürdigkeit hinzufügen. Aber selbst wenn dem so wäre, vermag ich die Hintergründigkeit der von Dir dargebotenen Hintergrundinformationen noch nicht so recht auszuloten, liebe Matta. Ich muss mich auch weiterhin mit der Hoffnung bescheiden, dass mein Hunger nach Erkenntnis mir nicht ganz die brüchige Stimme verschlägt.

    Und lieber Günter: Frag doch gelegentlich mal Deine beiden Töchter, ob sie in wenigen klaren Sätzen erklären können, woher ihre Faszination für die Sangeskunst der Carey eigentlich rührte? Das würde mich, unabhängig von der hier eigentlich zur Diskussion gestellten Frage, tatsächlich interessieren. Ich bin ja leider ein so schrecklich unmusikalischer Mensch. Kaum mehr als Bach bewegt mich wirklich. (Allenfalls noch Frank Zappa.)

  7. Günter Landsberger Says:

    Die M.-C.-Faszination, lieber Manuel, ist wohl ganz einfach auf “Kuschelrockgründe” zurückführen.
    Aber ich werde meine Töchter bei Gelegenheit gerne mal fragen.

    (Schrecklich unmusikalisch? Koketter Tiefstapler! Hast Du denn gar keinen Sinn für die Musik der Sprache?)

  8. Matta Schimanski Says:

    Immerhin hieltest du es in deinem Beitrag für erwähnenswert, dass Mariah Carey angeblich kürzlich geheiratet habe. Da dachte ich, einem unerheblichen Gerücht über eine Person ein paar Fakten, ihre musikalische Leistung betreffend, beizusteuern sei nicht völlig unpassend. (Natürlich sind fünf Oktaven wohl ein bisschen sehr hochgegriffen; ich hab´s einfach so kopiert.)

    Den biographischen Fakten hätte ich vielleicht noch hinzufügen sollen, dass sie (vor allem nach der Scheidung der Eltern) keineswegs in luxuriösen Verhältnissen aufwuchs.

    Denn um Luxus geht´s ja in deinem Text. Und um einen Satz, der Carey als Luxusweibchen und Popträllermäuschen zugeschrieben wurde.

  9. Revierflaneur Says:

    “Fünf Oktaven wohl ein bisschen sehr hochgegriffen” – oder sehr tiefgegriffen, je nach Ausgangspunkt. – Die unerhebliche Heirat von Frau Carey erwähnte ich nur deshalb, weil ich sonst über den Namen im SZ-Magazin gar nicht gestolpert wäre. Das brachte das nötige Quäntchen Aufmerksamkeit, um den zitierten Satz hellwach zu registrieren.

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