Archive for February 20th, 2011

Märchen (III)

Sunday, 20. February 2011

htmustafa

Mubarak? War da nicht mal was? Hatte der ägyptische Despot nicht vor Jahr und Tag schon einmal meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen? – Das fragte ich mich, als seit dem 25. Januar das Volk zunächst in Kairo und bald auch in anderen Großstädten des bevölkerungsreichsten afrikanischen Staates auf die Straßen ging und den Rücktritt seines Präsidenten forderte. Ich half meinem Gedächtnis mit der Suchfunktion in meinem Blog auf die Sprünge und erinnerte mich nun gut an jenes grausame orientalische Märchen, das mich von Ende August bis Anfang September 2008 in seinen Bann gezogen hatte.

Die Geschichte vom brutalen Mord an der prominenten libanesischen Sängerin Suzan Tamim, von der Jagd nach ihrem Killer Mohsen al-Sukkari (oder Mahmoud el-Sukkary) und dessen steinreichem Auftraggeber, dem gehörnten Ex-Geliebten der Sängerin, war gleich in mehrfacher Hinsicht interessant. Einerseits offenbarte sich hieran das Ausmaß der Korruption und der Machtmissbrauch der herrschenden Klasse unter Husni Mubaraks Regime. Andererseits verwunderte aber auch die Zurückhaltung der westlichen Medien bei der Berichterstattung über den Fall, die sich auffallend lange zierten, auch nur den Namen des ägyptischen Auftraggebers preiszugeben. Als dann schließlich doch durchsickerte, dass es sich um den Hotelkettenbesitzer und Immobilientycoon Hesham Talaat Moustafa (oder Hischam Talaat Mustafa) handelte, da war der Fall in Deutschland längst aus den Schlagzeilen.

Damals bildete ich mir was darauf ein, immerhin nach längerer Suche ein unscharfes Bild von diesem vor Eifersucht wahnsinnig gewordenen Hesham Talaat Moustafa gefunden zu haben, und gar noch eins, das ihn beim Shakehands mit George W. Bush zeigte. Heute gibt es Bilder von Moustafa zur Genüge, hinter Gittern und ohne Gitter [s. Titelbild]. Der Mann war am 21. Mai 2009 von einem Gericht in Kairo zum Tod durch den Strang verurteilt worden. Menschenrechtsaktivisten und Kritiker der Regierung von Präsident Mubarak, dessen Sohn Gamal ein guter Freund von Moustafa war, hatten das Urteil insofern begrüßt, als es ausnahmsweise einmal das Recht ohne Rücksicht auf solche guten Beziehungen eines steinreichen Schwerverbrechers zur Anwendung brachte. Bei allem Verständnis für diese Genugtuung muss ich mich als prinzipieller Gegner der Todesstrafe hiervon natürlich dennoch klar distanzieren.

Allerdings sollte es bei diesem ersten Urteilsspruch ohnehin nicht lange bleiben. Am 4. Februar 2010 stellten Moustafas Anwälte für ihren Mandanten, der nach wie vor seine Unschuld beteuerte, Antrag auf Revision des Strafverfahrens. Am 4. März wurden die Urteile aufgehoben, zugleich wurde ein neuer Prozess angeordnet. Am 28. September 2010 wandelte das Gericht die Todesstrafe für Moustafa in 15 Jahre Haft um. Mubaraks langer Arm hatte wieder einmal für „Gerechtigkeit“ in seinem Sinne gesorgt.

Aber nun ist Husni Mubarak mit Kind und Kegel über alle Berge. Ob durch den Machtwechsel dieser Fall noch einmal eine neue Wende nimmt? Ich bleibe wachsam und spinne mein Garn weiter, sobald sich die Spindel wieder dreht. Im Unterschied zu den Schreibern in den Massenmedien habe ich ja die Geduld eines Engels und alle Zeit dieser und der anderen Welt.

Erfolgsgeschichten (I)

Sunday, 20. February 2011

copyrightninapuri

Einige Jahre meines Lebens habe ich damit zugebracht, Bücher an den Mann und an die Frau zu bringen, die ihren Erfolg allein dem Umstand verdankten, dass sie ein aktuelles Bedürfnis befriedigten oder ein vorübergehendes Interesse stillten – oder vielmehr zu befriedigen vorgaben bzw. zu stillen versprachen. Ich weiß nicht, ob es immer schon Verlage gab, die die Themen und die Machart ihrer Produkte den gängigen Trends und aktuellen Moden ablauschten und Bücher sozusagen als Konfektionsware bei ihren Stammautoren in Auftrag gaben. Diese Büchermacher schreiben nicht mehr, wie es in ferner Zeit einmal gewesen sein mag, weil sie in ihrem Innersten ein Anliegen tragen, das sie der Welt mitteilen zu müssen glauben, sondern weil ihre Berater draußen in der Welt ein Anliegen ermittelten, für welches passgenau und maßgeschneidert ein Buch gemacht werden muss. Für den Verleger, der ja an erster Stelle Kaufmann ist, scheint diese nachfrageorientierte Produktionsweise den Vorteil zu haben, sein Risiko zu verringern.

Typischerweise handelte es sich bei solchen Büchern um sogenannte Ratgeberliteratur im weitesten Sinn des Wortes. Die sogenannte Belletristik oder auch „Schöne Literatur“ hingegen, Romane vorzugsweise, Prosasammlungen, gar die paar erfolgreichen Gedichtbändchen, die es zu nennenswerten Auflagenhöhen brachten, verweigerten sich hingegen bisher allen Versuchen kalkulierter Erfolgssteuerung. Selbst das vergleichsweise plumpe Marketinginstrument der Erkenntnis, dass der Teufel immer auf den dicksten Haufen scheiße, erwies sich ein ums andere Mal als unzuverlässiges Erfolgsversprechen, wenn etwa das Foucaultsche Pendel von Umberto Eco sich zwar im Gefolge seines sensationell erfolgreichen Romans Der Name der Rose zunächst noch sehr gut verkaufte, sich aber bald herumsprach, dass sich in dem neuen Buch nichts von dem wiederfand, was man bei seinem Vorgänger so sehr genossen hatte. Was war aber nun diese süße Speise gewesen, die die Leser so sehr verzückt hatte? Ich versuchte, es herauszubekommen, der ich doch beide Romane des italienischen Semiotikers nicht gelesen hatte noch zu lesen beabsichtigte. Die Auskünfte, die mir Ecos Leser darüber erteilen konnten, machten mich leider nicht schlauer.

Viel Zeit habe ich darauf verschwendet, selbst einen Roman zu schreiben, denn dies schien mir im dritten und vierten Lebensjahrzehnt eine Aufgabe, der sich ein Mensch zu stellen habe, wollte er nach seinem Ableben mehr hinterlassen als den schlechten Geruch faulenden Fleisches und ein paar lumpige Knochen. Ich machte schon eingangs dieser Bemühungen den großen Fehler, mich viel zu gründlich mit den gelungenen Ergebnissen meiner Vorläufer vertraut zu machen. Ich entwickelte einen feinen Sinn für Qualität und überzüchtete infolgedessen die Ansprüche an mein eigenes Schreiben so sehr, dass ich hinfort jede meiner Zeilen nur voller Hohn und Verachtung zu lesen vermochte. Schließlich gab ich auf.

Dabei hätte ich besser daran getan, einen Ratgeber zu schreiben! Die Einblicke, die mir mein Brotberuf in die Machart solcher Bücher und besonders auch in die Rezeptur ihres Erfolgs bescherte, hätte ich doch umstandslos anwenden können, um mich selbst und meinen Verleger zu wohlhabenden Leuten zu machen. Und was die Ansprüche an Stil und Ausdruck betrifft, an sprachliche Genauigkeit, Bildlichkeit und zugleich Verständlichkeit, so käme ich auf diesem Feld ja mit viel bescheideneren Mitteln aus als jenen, wie sie mir bei meinen ambitionierten Schreibexperimenten für den gescheiterten Roman zur zweiten Natur geworden waren und aus der Feder flossen wie nichts!

Aber es ist ja noch nicht zu spät. Viel lernen könnte ich gewiss für meinen Plan von den Routiniers des Product-Placements, von den Designern und Werbeprofis in den großen Agenturen. Das Titelbild von © Nina Puri zeigt ihren Beitrag in einem Texter-Wettbewerb zum Thema „Partner-Inserent“. Dieses Inserat erhielt – wen wundert ’s? – die meisten Zuschriften. Erfolg ist ja im Grunde sehr einfach, wenn man die Menschen, ihre unmittelbaren Bedürfnisse und geheimen Wünsche bis auf den Grund verstanden hat. Nina Puri hat übrigens auch ein Buch über eins der erfolgreichsten Möbel von Ikea geschrieben, das Billy-Regal. Wer Erfolgsgeschichte schreiben will, sollte vielleicht zunächst Erfolgsgeschichten lesen und begreifen. Gleich morgen will ich mich an die Arbeit machen, damit von mir außer dem Pesthauch der Verwesung usw.