Pushkids (II)

Als Bewohner der achtgrößten Stadt Deutschlands waren wir voller Zuversicht, in der City gleich mehrere Haushaltswarengeschäfte, Design-Studios oder Kaufhausabteilungen zu finden, wo wir die verschiedenen Modelle des bekanntesten Abfalleimerfabrikats würden in Augenschein nehmen können. Zwei enervierende Stunden belehrten uns eines Besseren. Lediglich in einem alteingesessenen Fachgeschäft am Theater waren drei Exemplare der Produktlinie „Baseboy” vorrätig, in Weiß, Rot und Neusilber, Fassungsvermögen 20 Liter.

Das waren nun die üblichen Treteimer, wie man sie schon aus den 1950er-Jahren kannte, die mit der speziellen Wesco-Erfolgsstory nur bedingt etwas zu tun hatten. Ihren Namen konnten wir uns nicht recht erklären. Bedeutete das englische „base”  nicht so viel wie gemein, niedrig, niederträchtig, minderwertig, unedel? Oder spielte es auf den laut Herstellerwerbung „extrem standfesten Sockel” an, auf dem der Behälter ruht, eben auf seine Basis? Mein Hauptargument gegen ein vorschnelles Umschwenken vom Pushboy auf den Baseboy war aber, dass der Tretmechanismus des Letzteren gewiss komplizierter und somit anfälliger für Defekte wäre als der primitive, aber grundsolide Kippmechanismus des Pushers. Und wir suchten ja schließlich einen Abfalleimer für die Ewigkeit. Immerhin waren wir nun doch einigermaßen verunsichert und vertagten die Kaufentscheidung, wozu auch das wenig enthusiastische Auftreten des Verkäufers und der stolze Preis von 169 Euro beitrugen.

Um so bald wie möglich zu einem hieb- und stichfesten Entschluss zu kommen, besprachen wir das Thema nun mit allen unseren Freunden. Dabei stellte sich heraus, dass es ebensoviele Ansichten übers optimale Wegschmeißen gibt wie Wegschmeißer. Nur zwei Beispiele. Eine erfahrene Hausfrau gab zu bedenken, dass beim Versenken schmieriger Lebensmittel durchs Pushmaul des Pushboys dessen Verschmutzung nie ganz zu vermeiden sei. „Da bekommt ihr Spaß, wenn es alle zwei Wochen heißt, den festgetrockneten Schmodder abzubürsten!” Und ein Hobbykoch aus der Nachbarschaft plädierte mit Nachdruck für den Treteimer: „Der Einsatz von drei Extremitäten beim Wegwerfen – rechter Fuß auf dem Pedal, linke Hand hält den Teller, rechte Hand schiebt mit der Gabel die Reste in die Tonne – ist und bleibt ergonomisch einfach unübertroffen!”

Ich bin manchmal kindisch. Zum Beispiel dann, wenn ich eine einmal gefasste Meinung noch verteidige, wenn sie schon längst als widerlegt gelten kann. So führte ich nun für den Pushboy ins Feld, dass er dank seines imposanten 50-Liter-Volumens nur selten geleert werden müsse, weniger als halb so oft wie der Baseboy. Der Einwand meiner Gefährtin folgte auf dem Fuße: „Den Riesensack darfst dann aber du zur Mülltonne schleppen. Und außerdem: Wenn der Abfalleimer so selten geleert wird, fängt’s bald an zu stinken. Und die Wolken von Fruchtfliegen, die dann unsere Küche heimsuchen, sehe ich auch schon lebhaft vor mir.”

Ich verzog mich eingeschüchtert an meinen Schreibtisch und verglich am Monitor die Farbmuster der diversen Wesco-Eimer. Was das anging, taten sich Pushboy und Baseboy nicht viel. Was aber, wenn ich mich jetzt rettungslos in den Pushboy in Silber verlieben würde? Das war der einzige Ton, in dem der Baseboy nicht lieferbar war. Nein, Unsinn, auch damit würde ich nicht durchkommen.

(Wird fortgesetzt.)

One Response to “Pushkids (II)”

  1. Revierflaneur» Blogarchiv » Dienstag, 25. August 2009: Pushkids (IV) Says:

    […] für ein kleines Weilchen auf Eis gelegt habe. Heute jedenfalls fiel mir das Fragment aus eins, zwei, drei Folgen plötzlich wieder ein wie eine im Ansatz stecken gebliebene Sünde, die schon deshalb […]

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