Archive for June 25th, 2008

Streik!

Wednesday, 25. June 2008

streik

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Asta

Wednesday, 25. June 2008

asta

Die „Roaring Twenties“, dieses gewiss später zu sehr verklärte, in der Unklarheit seiner unaufgelösten Widersprüche aber ebenso gewiss explosiv-schöpferische, gärende und temporeiche, fragende und fragwürdige Jahrzehnt, verbrachte Hans Siemsen in Berlin, der Reichshauptstadt und deutschen Metropole der Boheme.

Helmut Kreuzer hat in seiner wegweisenden Monographie über den anarchischen Gegenentwurf zur bürgerlichen Gesellschaft der Bedeutung des Café-Hauses, der Künstlerkneipe und des Kabaretts ein eigenes Kapitel gewidmet. (Die Boheme. Beiträge zu ihrer Beschreibung. Stuttgart: J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, 1968, S. 202-216.) Die Anziehungskraft solcher Lokalitäten erklärt er mit einem Polgar-Zitat aus dem ambivalenten Bedürfnis der Einzelgänger, „die allein sein wollen, aber dazu Gesellschaft brauchen“.

Siemsen verkehrte „in einem kleinen Lokal in der Passauer Straße“ in Berlin-Tempelhof, in dem sich der Verleger Ernst Rowohlt mit seinen Autoren traf: „Franz Hessel, Joachim Ringelnatz, Hans Siemsen, mitunter war auch Asta Nielsen dabei und hörte, den ausgestreckten Zeigefinger unter dem Kinn, wortlos und unnahbar den Gesprächen zu. Noch ihr Schweigen schien einen dänischen Akzent zu haben. Sie schminkte sich nie, wenn sie ausging, und kleidete sich möglichst unauffällig, beinahe schlampig, teils um nicht erkannt zu werden, teils aus dem bei Schauspielern nicht selten anzutreffenden Wunsch, sich gehenzulassen, wenn man nicht spielte.“ (Hans Sahl: Memoiren eines Moralisten / Das Exil im Exil. München: Luchterhand Literaturverlag, 2008, S. 172.)

In ihrer Autobiographie Die schweigende Muse (1946) schreibt sie zwar über ihren Freund Joachim Ringelnatz; Hans Siemsen kommt darin nicht vor. Dabei hat Siemsen doch ein so bezauberndes Feuilleton über die Stummfilmdiva und zugleich über die ästhetische Sensation des frühen Films geschrieben: „Das Erstaunliche und Bewundernswerte,“ so heißt es da, war dank Asta Nielsens mimischem Genie „nicht mehr die technische Leistung des neuen Wunderapparates, den man ,Kinematograph‘ nannte, sondern ein menschliches Gesicht und die Suggestion, die von ein paar großen Augen und von ein paar schmalen, zuckenden Lippen ausging. Es stellte sich heraus, daß das einfache, alltägliche menschliche Antlitz wunderbarer, seltsamer und phantastischer sein konnte als der phantastische Apparat. Nicht mehr der Apparat, sondern der Mensch war die Hauptsache. Die Kunst hatte über die Technik gesiegt.“ (Hans Siemsen: Asta Nielsen. In: Film und Volk. Berlin. Heft 2, April 1928; hier zit. nach Schriften II. Kritik – Aufsatz – Polemik. Essen: TORSO Verlag, 1988, S. 161.)

Der Stummfilmstar, der am Tonfilm scheiterte, hat sich frühzeitig auf die Ostseeinsel Hiddensee in sein Haus Karusel zurückgezogen, wo Joachim Ringelnatz die Freundin gelegentlich besuchte. Renate Seydel, die dort eine kleine Buchhandlung betreibt, hat ein Buch über Asta Nielsen herausgegeben, das ich noch nicht kenne und in dem Hans Siemsen vermutlich nicht vorkommt. – Was ist das noch gleich für ein Vogel, dessen Gesang unsere menschliche Stimme zum Verstummen bringen möchte? Luscinia luscinia, so hat Linné 1758 den Sprosser genannt. Sein Ruf ist laut, mit einer breiten Varietät von Trillern, Schnalzlauten und Pfiffen.