Textaufgabe

Gespräch des Paares nach der Fete bei entfernten Bekannten, lauter fremde Leute. „Die Blonde mit dem roten Halstuch war ja furchtbar nervig.“ – „Und ihr Freund hat rumgeflirtet wie ein Weltmeister.“ – „War das ihr Freund? Eher doch ihr Sohn!“ – „Naja, so viel älter war sie aber auch wieder nicht.“

„Der Rothaarige mit den Segelohren, der zuletzt den DJ machte, kam mir von irgendwoher bekannt vor.“ – „Das ging mir auch so. Von der Uni?“ – „Könnte sein. Bestimmt ein Be-We-Eller.“ – „Oder Jurist.“

„Das schwule Pärchen war aber doch wirklich süß, oder?“ – „Ja, wie die sich zankten! Wie ein älteres Ehepaar.“ – „Worum ging’s eigentlich? – „Der eine wollte noch woanders hin und der andere wollte lieber bleiben, wenn ich’s richtig verstanden habe.“ – „Vielleicht hatte der ein Auge auf dich geworfen?“ – „Ne, eher schon auf den Freund von der Blonden.“

„Alles in allem war’s jedenfalls ein netter Haufen.“ – „Stimmt! Schön bunt gemischt.“ – „Hast du den Wecker gestellt?“ – „Ne, mach ich jetzt.“ – „Schlaf gut.“ – „Träum schön.“

Frage: Ist es zulässig, Menschen nach oberflächlicher Bekanntschaft auf solche nebensächlichen Äußerlichkeiten wie Kleidungsstücke, ihr Alter, körperliche Auffälligkeiten, berufliche oder sexuelle Orientierungen zu reduzieren? Hört der Spaß nicht spätestens bei dem „schwulen Pärchen” auf? Und nähert sich das Gespräch damit gefährlich jener schablonenhaften Bewertung von Menschen, die in letzter Konsequenz zur Ausgrenzung und Diskriminierung von Minderheiten führt?

One Response to “Textaufgabe”

  1. Matta Schimanski Says:

    Etwas ketzerische Frage: Worauf soll man Menschen nach solch oberflächlicher Bekanntschaft d e n n reduzieren?

    Aber im Ernst:
    Das oben geschilderte Gespräch reduziert niemanden auf irgendetwas, sondern die angeführten Äußerlichkeiten dienen einzig der Identifikation der Leute, über die man sich unterhält. Bewertet wird niemand, außer (mehr am Rande) der Blonden mit dem Halstuch, aber weder ihre Haarfarbe noch das Halstuch werden zur Kritik herangezogen, sondern offensichtlich ein nicht weiter diskutiertes Verhalten. Und auch das finde ich nicht diskriminierend. Man kann doch das Verhalten eines Menschen nervig finden, ob man ihn nun kennt oder nicht. Würde jetzt dieses Verhalten lang und breit besprochen bzw. versucht, anhand dieser wenigen Beobachtungen eine umfassende (?) Beurteilung dieses Menschen vorzunehmen, d a n n allerdings wäre das in meinen Augen unzulässig.

    Das Paar lässt einfach noch einmal kurz den Abend Revue passieren. Oder?

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