Archive for the ‘Xenographien’ Category

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Tuesday, 07. December 2010

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Fristlos

Tuesday, 03. March 2009

Die Wahrheit blüht besonders üppig im Verborgenen, wenngleich sich diese Blüten meist nicht zu Dekorationszwecken auf bürgerlichen Fensterbänken eignen. Im vorletzten Sommer erschnüffelte unsere Hündin den provisorischen Unterschlupf eines Obdachlosen, neben einem Trafohäuschen ganz in der Nähe unserer Wohnung, den Blicken vorbeieilender Passanten durch wild wucherndes Gebüsch gnädig entzogen.

Im Winter 2007 auf 2008, da das Schlafen unter freiem Himmel noch ungemütlicher wurde, als es selbst in der wärmeren Jahreszeit sein mag, inspizierte ich den wilden Ort erneut und traf zwar den ohne Dach dort Hausenden nicht an, gewahrte aber eine neue Möblierung, die den Minustemperaturen das Wenige entgegensetzte, was ohne Geld zu haben ist, was von den Sperrmüllbergen einer modernen Großstadt fortgetragen werden kann. Ich berichtete kurz vor Weihnachten 2007, noch unter anderer Adresse, über meine Entdeckung.

Der Anwohner des Trafohäuschens kreuzte seither gelegentlich meinen Weg. Es war ein Mann schwer bestimmbaren Alters, zwischen 40 und 60, von ungesundem, aber nicht ganz ungepflegtem Äußeren, schlank und groß gewachsen, langhaarig und bärtig. Auffallend war, dass er beim Schreiten mit den Armen schlenkerte. Er wechselte offenbar häufig die Kleidung, nie sah ich ihn zweimal in den gleichen Sachen. Ekel vor angebrochenen, halb verzehrten, dann weggeworfenen Lebensmitteln, die er wohl aus Mülltonnen oder -containern klaubte, schien er nicht zu haben: Ich beobachtete ihn mehrfach, wie er dergleichen lustvoll verzehrte. Ob er Alkoholiker war, vermag ich nicht zu sagen. Er torkelte nicht, trug nie eine Bier- oder Schnapsflasche mit sich.

Als er mir zuletzt Anfang 2009 begegnete, sprach ich ihn an, zückte mein Portemonnaie und schenkte ihm, mit einem Glückwunsch zum neuen Jahr, einen mittelgroßen Geldschein, wofür er sich bedankte. Danach sah ich ihn nicht mehr und werde ihn vermutlich auch niemals wiedersehen.

Vor wenigen Tagen hat nämlich das Grünflächenamt meiner Vaterstadt den kleinen Park, an dessen Rand das Trafohäuschen steht, radikal von wildwachsendem Gebüsch gereinigt. Das „Mobiliar” des Obdachlosen wurde bei dieser Gelegenheit offensichtlich entsorgt [s. Titelbild]. Und die Wahrheit? Sie lautet: Obdachlosigkeit erspart dem Staat die Räumungsklage, Fristen sind nicht zu beachten.

Komma

Sunday, 01. February 2009

< [Ohne Kommentar.]

Zeichen schreiben

Friday, 16. January 2009

Die Zeitschrift SIGNA – Beiträge zur Signographie, deren erstes Heft im Herbst 2000 in der Edition Wæchterpappel im Verlag der Denkmalschmiede Höfgen im sächsischen Grimma erschienen ist, hat kaum ihresgleichen unter den Periodika zum Thema „graphische Zeichen”, soweit ich das internationale Angebot überblicke, und schon erst recht nicht in Deutschland. Die mittlerweile zehn schmalen Hefte (plus ein Sonderheft „anläßlich der Kodierung des großen ß”), im schlichten ziegelroten Umschlag und im Format 16,5 x 24,0 cm erschienen, bestechen durch ihre ebenso zurückhaltende wie konsequente Gestaltung, vor allem aber durch ihre ganz außergewöhnliche, originelle Themenwahl.

So beschäftigte sich etwa Heft 2, in der Tradition des großen Kalli- und Typographen Jan Tschichold, mit den „Formenwandlungen der Et-Zeichen”; Heft 4 mit dem „Punkt in der Musik”; Heft 5 mit den „Publikzeichen im realen und medialen öffentlichen Raum”; und Heft 7 war der „Verschriftung der Gebärdensprache” gewidmet. Jedem dieser nur auf den ersten Blick abgelegenen Gegenstände gewinnen die Autoren unter der Herausgeberschaft von Andreas Stötzner und Dr. Uwe Andrich einen überraschenden Erkenntniswert ab. Zudem ist es aber ein besonderes Vergnügen, dass dies auf so unaufdringliche Weise, so unprätentiös und insbesondere höchst anschaulich geschieht.

Mein persönliches Lieblingsheft ist das achte, „Zeichen schreiben”, das die Ergebnisse eines Kurses im Grundstudium Schrift an der Burg Giebichenstein in Halle unter Leitung von Hannelore Heise dokumentiert. „Die Aufgabe bestand im Erarbeiten eines kohärenten und doch in sich spannungsvollen Zeichensatzes – allein aus dem Schreiben heraus, entbunden von allen sonstigen Bezügen wie Tradition, Stilistik, Bedeutung und Konvention.” (Andreas Stötzner: Vorwort zu SIGNA, Heft 8, S. 5.) Hauptsächlich bildet dieses Heft die so unterschiedlichen Ergebnisse des Experiments ab, eins schöner als das andere, allesamt nicht lesbar, nicht entzifferbar, nicht dechiffrierbar im üblichen Sinne einer allgemein verbindlichen Bedeutungskonvention – und gerade deshalb sehr aussagekräftig zu der Frage, in welchen Urgründen denn eigentlich unser graphisches Bezeichnen der Welt und Wirklichkeit wurzelt.

Das (hoffentlich nur vorläufig) letzte Heft der Reihe ist 2006 erschienen, mithin vor nun schon drei Jahren – was zu der Befürchtung Anlass geben muss, dass dieses so hoffnungsvoll begonnene, in jedem einzelnen seiner Ergebnisse beachtenswerte Projekt einer tatsächlich erstaunlichen, zum Sehen und Verstehen einladenden Zeitschrift vor der Zeit auf der Strecke bleibt. Dies würde ich sehr bedauern, denn an noch unbehandelten Themen zur „Signographie” mangelt es ja wahrlich nicht. So erträume ich mir beispielsweise ein SIGNA-Heft über die „Tags” der spraydosenbewaffneten Graffiti-Maler unserer Tage, oder eins über die Gaunerzinken des fahrenden Volkes der Vergangenheit.

Darum hier ausnahmsweise mal Reklame. Bestellen Sie SIGNA, liebe Leser meines Weblogs. Fast alle alten Nummern sind noch lieferbar. Setzen Sie ein Zeichen gegen den Trend, Zeichen zwar tagtäglich zu entziffern, ihr tiefstes Wesen aber nicht verstehen zu wollen!

[Titelbild: Schriftbild von Lei Song; aus: SIGNA 8: Zeichen schreiben, S. 19. – © Verlag Denkmalschmiede Höfgen gGmbH, Edition Wæchterpappel, Grimma 2005.]

Voynich

Thursday, 11. December 2008

Kennedy und Churchill haben gemeinsam ein Buch darüber geschrieben; ein Dutzend ehrgeiziger Kryptoanalytiker ist in den vergangenen hundert Jahren an dem Versuch gescheitert, es zu entschlüsseln; seine Provenienz ist nur lückenhaft rekonstruierbar; und bis heute streiten sich die Gelehrten, ob es sich um das Werk eines Wahnsinnigen, eines Fälschers oder eines genialen Geistes handelt – das Voynich-Manuskript, eines der rätselhaftesten Schriftstücke der Literaturgeschichte, das heute unter der Katalognummer MS 408 in der „Beinecke Rare Book and Manuscript Library” der Yale University in New Haven (CT) aufbewahrt wird.

Als der Londoner Antiquar Wilfrid Michael Voynich (1865-1930) dieses äußerlich unscheinbare Buch 1912 in einer Sammlung kostbar illuminierter Handschriften in der Villa Mondragone bei Rom entdeckte, hatte er nach eigenem Bekenntnis spontan den Eindruck, auf etwas ganz Außergewöhnliches gestoßen zu sein: „Es war ein so hässliches Entlein, verglichen mit den anderen, mit Gold und Farben reich verzierten Manuskripten, dass meine Neugier sogleich erregt war.” (A Preliminary Sketch of the History of the Roger Bacon Cipher Manuscript; in: Transactions of the College of Physicians of Philadelphia. Serie 3. Baltimore 43.1916, S. 415; dt. Übers. nach Wikipedia.)

Das in Pergament eingebundene Werk trägt weder einen Titel noch einen Autorenvermerk. Auf über hundert Seiten sind kolorierte Federzeichnungen von Pflanzen, Tieren, Menschen und astronomischen Konstellationen zu sehen, kommentiert in einer völlig unbekannten und bis heute nicht entzifferten, nirgends sonst woher vertrauten Schrift [siehe Titelbild].

Selbst die Entstehungszeit des Manuskripts ist nach wie vor umstritten. Während ein Expertenteam das Konvolut jüngst aufgrund von Material und Schreibstil auf etwa 1500 n. Chr. datierte, trauen andere Forscher dem namengebenden „Entdecker” Voynich zu, das nur vorgeblich uralte Dokument höchstpersönlich gefälscht zu haben. Unwillkürlich musste ich bei solchen weitgespannten Spekulationen an Arno Schmidts Radio-Essay über Das Buch Mormon (1961) denken.

Spätestens seit der lange unmöglich scheinenden – und schließlich doch dem Franzosen Jean-François Champollion (1790-1828) dank dem „Stein von Rosetta” 1822 geglückten – Entzifferung der altägyptischen Hieroglyphen üben unverständliche Schriftzeichen eine magische Wirkung auf uns aus. Je länger die geheimnisvollen Symbole unserer forschenden Neugier widerstehen, desto mehr ziehen sie uns in ihren Bann. – Leider ist das umfassendste Buch zum Voynich-Manuskript in deutscher Sprache zurzeit weder regulär noch antiquarisch lieferbar. (Gerry Kennedy und Rob Churchill: Der Voynich-Code. Das Buch, das niemand lesen kann. A. d. Engl. v. Hainer Kober. Berlin: Rogner und Bernhard bei Zweitausendeins, 2005.)

Schleuse

Wednesday, 19. November 2008

[Sprachlos.]

Abrakadabra

Monday, 17. November 2008

Ob das Zauberwort nun „Segne, heilger Wunderspruch” (aus dem Hebräischen von bracha und dabar) bedeutet, sich von der arabischen Beschwörungsformel abreq ad habra, dem „Donner, der tötet” ableitet oder, was mir am liebsten wäre, auf das aramäische Avrah KaDabra zurückgeht, zu Deutsch: „Ich werde erschaffen, während ich spreche” – seit Urzeiten gilt Abrakadabra als geheimnisvoller Bannfluch gegen das Böse, gegen Blitzschlag, Krankheit und finstere Mächte. Ich kenne es seit meiner frühesten Kindheit von der Kasperl-Bühne her, wo es der Zauberer, seinen schwarzen Stab schwingend, zu einem blechernen Donnergrollen aussprach: „Abrakadabra – dreimal schwarzer Kater!”

In neuerer Zeit, von Aleister Crowley bis Joanne K. Rowling, stehen diese elf Buchstaben für die magische Wirksamkeit des Unverständlichen, Rätselhaften, für die irrationale Heilkraft scheinbar bedeutungsloser Glossolalie. Im Grimmschen Wörterbuch kommt das Wort nicht vor, aber in meinem Großen Brockhaus von 1953, schon auf Seite 26 des ersten Bandes, wo es „allgemein” als Synonym für „verworrenes Gerede oder Geschreibsel” steht. Und dann gibt es da noch den „Nigger Vojan, der mal in Chicago bei einem Würfelspiel 175.000 Dollar gewonnen und an drei Stellen Abrakadabra eintätowiert hatte”, in Dashiell Hammetts Story The Big Knockover. (Dt. in Raubmord. A. d. Am. v. Renate Steinbach. Frankfurt am Main / Berlin: Ullstein, 1969, S. 56.)

Abrakadabra ist, sei es wie es will, eine gute Überschrift für die geheime, geheimnisvolle, irrationale Struktur, die diesem Weblog zugrunde liegt und die unablässig wächst und wuchert, in alle Richtungen, nicht als ein von Anfang an vorgegebenes Prinzip, sondern als ein organisch sich anpassendes System, ebenso buchstabengetreu wie unberechenbar, mir selbst als seinem Schöpfer ein ewiges Rätsel, der ich mich alltäglich von den Winkelzügen des Schicksals überraschen lasse.

Dass alles mit allem zusammenhänge, ist nur eine dumme Redensart. Dass aber manches mit diesem und jenem in Verbindung zu bringen ist, mag schon eher mit Fug und Recht zu behaupten sein.

Zusammenhänge sind in diesem Weblog nicht beabsichtigt, können aber beim besten Willen nicht ganz vermieden werden. Und wie sonst allüberall steckt auch hier der Teufel im Detail.

Geschlossen

Saturday, 15. November 2008

[Sprachlos.]