Archive for February 19th, 2011

Schamloses Geballere

Saturday, 19. February 2011

Get the Flash Player to see the wordTube Media Player.

Der Künstler Isao Hashimoto aus Japan hat vor acht Jahren einen überaus eindrucksvollen Animationsfilm angefertigt. Er veranschaulicht alle zwischen 1945 und 1998 auf unserer Erde durch Nuklearsprengkörper hervorgerufenen Explosionen.

Der Film zeigt jeden einzelnen der insgesamt 2051 Kernwaffentests als kurzes Aufleuchten an seinem genauen geographischen Ort auf der Weltkarte – und natürlich auch die beiden frühen „Anwendungen“ über Hiroshima und Nagasaki. Die Detonationen werden akustisch durch kurze Sinustöne angezeigt. Eine Sekunde entspricht einem Monat. Die Größe der aufleuchtenden Kreisflächen entspricht der Stärke der jeweiligen Explosion. Nationalfahnen am Kartenrand bezeichnen die Atommächte USA, UdSSR, Großbritannien, Frankreich, VR China, Indien und Pakistan. (Israel hat noch nicht getestet, Nordkorea begann damit erst 2006.) Neben jedem Fähnchen läuft ein Zählwerk, das die Tests für jedes Land aufaddiert.

Der Film hat eine sehr zu Herzen gehende „Dramaturgie“. Anfangs empfindet man jedes einzelne Aufleuchten noch als ein besonderes Ereignis, das aus dem tiefen Schweigen heraus für einen Moment auf sich aufmerksam macht. Man hat genug Zeit, sich die ungeheuren Zerstörungskräfte, die sich hinter diesem Tönchen verbergen, ins Gedächtnis zu rufen. Wenn sich ab Mitte der 1950er-Jahre die Testfrequenz so sehr steigert, dass man fast meint, eine elektronische Orgelmelodie zu hören, dann wird einem fast schwindlig. Jedenfalls ging es mir so. Ich schlug die Hände überm Kopf zusammen und rief laut: „Seid ihr denn wahnsinnig? Hört auf!“ Und meine Gefährtin, der ich den Film anschließend vorführte, erblasste und sprach: „Dass sie sich nicht schämen.“

Obwohl ich mich in schonenden Abständen immer wieder einmal mit der furchteinflößenden Hypothek beschäftigt habe, die die Entwicklung der Massenvernichtungswaffen uns beschert hat, war mir Isao Hashimotos eindrucksvolle Versinnbildlichung dieser Ereignisfolge bisher entgangen. Dabei ist der Film an vielen Stellen im Internet hinterlegt. (Ich fand ihn zufällig auf der auch sonst bemerkenswerten Seite postapocalypse.de.)

Tatsächlich klingt das wahnwitzige Geballere Anfang der 1990er-Jahre ab, mit dem Ende des Kalten Krieges scheint Vernunft einzukehren. Wir sind noch einmal davongekommen. Ein Grund zur Sorglosigkeit ist das allerdings nicht. Die dritte „Anwendung“ könnte jederzeit vorgenommen werden, die Mittel dazu werden wir wohl nie wieder los.