Heimspiel?

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Heute berichten S. Braun und C. von Bullion vom Heckmeck um den für September 2011 bevorstehenden Berlin-Besuch des Papstes: Heikler Auftritt im Reichstag (in: SZ Nr. 293 v. 18./19. Dezember 2010, S. 10). Schon der erste Satz lässt nichts Gutes erwarten: „Die Materie ist sensibel, das Terrain unwegsam, die Einhaltung des Protokolls von größter Bedeutung.“

Über Materie, Terrain und Protokoll erfahren wir anschließend: dass der Besuchstermin ursprünglich auf eine Einladung des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) zurückgeht; dass der diese Einladung 2006 spontan ausgesprochen hat, ohne sich mit den Fraktionen abzustimmen, was diese verstimmt habe; dass einige Berliner Grüne (Ströbele), Schwule und Lesben Benedikt XVI. nicht mögen, andere (Künast) aber doch; dass eine Rede unter freiem Himmel vielleicht im Pfeifkonzert dieser Szene untergehen könnte; dass viele deswegen eine Rede im Reichstag sicherer fänden; dass auch der Berliner Erzbischof Georg Sterzinsky froh wäre, wenn der Papst vor dem Bundestag reden dürfte; dass daraufhin ein Sprecher des Bundestagspräsidenten den Erzbischof kühl darüber belehrt habe, allein Herrn Lammert stehe es zu, den Papst ins Hohe Haus einzuladen, und keineswegs Herrn Sterzinsky.

Wenn mich ein Blick auf die Schneeberge vor meinem Fenster nicht eines Besseren belehrte, würde ich annehmen, die Pressetexter steckten im tiefsten Sommerloch. Unwegsam ist allenfalls das Terrain für die Autoren, die blindlings nach einer Materie tasten, aus der sich ein Artikelchen machen ließe, aber sie partout nicht finden – sensibel oder nicht. Ein Sturm im Wasserglas!

Als mir noch Menschen zum Geburtstag gratulieren mussten, die vorgezogen hätten, wenn ich erst gar nicht geboren worden wäre, überreichten sie mir Geschenke, deren einziger Zweck für sie wohl darin bestand, das schreckliche Altpapier nicht zum Container tragen zu müssen, in das sie sie eingewickelt hatten. Ganz ähnlich verfahren heute manche Auftragsschreiber. Wenn sie schon nichts mitzuteilen haben, dann wollen sie bei dieser Gelegenheit wenigstens die eine oder andere sprachliche Schlamperei loswerden. Das Paar Braun / von Bullion (Praktikanten?) musste dringend folgenden Satz entsorgen: „Berlin mit seiner schwul-lesbischen und kirchenkritischen Szene ist, vorsichtig ausgedrückt, kein Heimspiel für Katholiken.“ Einmal kurz durchatmen, bitte! Vorsichtig ausgedrückt? Nicht vorsichtig genug, denn sonst hätte den Autoren dämmern müssen, dass Berlin mitnichten ein Spiel ist, kein Heim-, kein Auswärts- und auch kein Kinderspiel, sondern eine Stadt. Und wenn die beiden gemeint haben, dass der öffentliche Auftritt eines hohen katholischen Würdenträgers in Berlin kein Heimspiel sei, dann sollen sie das doch bitte sagen, diese Umständlichkeit um der sprachlichen Richtigkeit willen können und wollen wir ihnen nicht ersparen.

Mancher gnädigere Leser wird mir nun vorhalten, ich sei päpstlicher als der Papst. Ach was, in Fragen sprachlicher Präzision ist mir der jetzige Papst, obgleich er allenthalben für seine Bildung, gar Intellektualität gerühmt wird, längst nicht päpstlich genug. (Gewiss wird sich beizeiten die Gelegenheit bieten, auch einen Lapsus des Josef Ratzinger aufzuspießen.)