Artikel-Nr. 0004-0839

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Olson, Charles: Nennt mich Ismael. Eine Studie über Herman Melville. Nachw. v. Klaus Reichert. [A. d. Am. v. Wulf Teichmann.] München: Carl Hanser Verlag, 1979. – 132 & 4 S., 20,2 x 13,2 cm, Okt. – Einband nachgedunkelt bzw. lichtrandig, innen gut. – Erste Ausgabe dieser Übersetzung. Beiliegend eine lose Titelei mit dem Hinweis auf den Übersetzer – Erschienen in der Schriftenreihe Literatur als Kunst, hrsg. v. Walter Höllerer. – Die amerik. Originalausg. des ersten Buches von Charles Olson erschien 1947 u. d. T. Call Me Ishmael bei City Light Books in San Francisco. – ISBN 3-446-12738-0.

Was hier in wenigen Zeilen an großen Namen aufgefahren wird, ist schon imposant. Charly Olson dürfte mir erstmals über den Weg gelaufen sein, als ich mich mit dem Komponisten John Cage beschäftigte, der natürlich im Zusammenhang mit meinen Zufallsforschungen interessant für mich werden musste. Habe ich irgendwo gelesen, dass Olson der Erfinder des Ausdrucks post-modernism war, oder verwechsle ich ihn da mit Robert Creeley? Seine Melville-Studie hat mich jedenfalls hervorragend eingestimmt auf meine erste, dann doch gescheiterte Moby-Dick-Lektüre, aber das ist ein anderes Thema und betrifft ein größeres Buch.

Klaus Reichert hätte ich gern einmal persönlich kennengelernt, ich kann die Zusammenhänge, in denen der Anglist als Übersetzer und Vermittler meine Leserouten kreuzte, gar nicht mehr alle hersagen. Da er bereits 1965 ein edition-suhrkamp-Bändchen mit Gedichten von Olson als Herausgeber und Übersetzer betreut hat, läge die Vermutung nahe, dass auch dessen Call Me Ishmael von Reichert übertragen wurde. Hier hat aber das Lektorat von Hanser offenbar geschlampt, denn auf dem Titel fehlt jede Angabe zum Übersetzer [s. Titelbild, links], und auch im rückseitigen Impressum sucht man diesbezügliche Angaben vergeblich.

Das hat nun offenbar – und durchaus verständlicherweise – dem tatsächlichen Übersetzer Wulf Teichmann ganz und gar nicht gefallen. Und so musste der Verlag die vervollständigte Titelei als 14,7 x 10,5 cm großes Zettelchen dem Buch beigelegt werden [s. Titelbild, rechts]. Meist gehen solche Zettelchen mit den Jahren irgendwann verloren, deshalb werden sie gelegentlich sogar – wenn nämlich die „vergessenen“ Mitarbeiter hartnäckiger auf ihrem Recht bestehen – im Buch festgeklebt. Nun, das hatte Wulf Teichmann 1979 vielleicht nicht mehr nötig, als Übersetzer so bekannter Autoren wie Alexander Trocchi, Oscar Wilde, Peter Ustinov, Alan Silitoe, Thomas Pynchon, Isaac Bashevis Singer, Ross Macdonald, Charles Bukowski, Erica Jong, Eric Ambler und Virginia Woolf. Aber bereits bei Teichmanns Übertragung von Ustinovs Krumnagel von 1971 hatte der Verlag (damals die DVA in Stuttgart) ihn zu erwähnen vergessen. Vielleicht ging es bei Olson nun ums Prinzip? Verständlich. Die Leistung der (guten) Übersetzer wird noch immer nicht ausreichend gewürdigt. Und Teichmann ist ein sehr guter!

Bei Begleichung des Rechnungsbetrags in Höhe von 27,50 Euro geht dieses Buch in den Besitz von G.-M. J. in Zürich über.

2 Responses to “Artikel-Nr. 0004-0839”

  1. Revierflaneur Says:

    Eben hatte ich den Einfall, dem Übersetzer Wulf Teichmann einen Link auf meinen Artikel zu schicken, denn diese Eloge auf sein Lebenswerk müsste ihn doch bestimmt freuen. Ich googelte nach seiner Adresse und stieß sehr bald auf dies hier. Schade, da komme ich nun viel zu spät, wie so oft.

  2. Revierflaneur Says:

    Noch was. Einen Tag später hat Thomas Kapielski im Zweitausendeins-Blog ebenfalls eine Art Nachruf auf Wulf Teichmann bekannt gemacht, der mittlerweile nur noch dank Cache zu lesen ist. Dieses längliche Epitaph stammt aber nicht von ihm selbst, sondern von einem so titulierten Berliner “Stammtischtheologen” Bernd Gärtner, der sich in den Fakten nicht so recht zurechtfindet, aber desto bessere Kenntnisse der lokalen Lokalszene (gehabt?) zu haben scheint. Na, ich hab mir ja geschworen, nicht mehr über Menschen zu urteilen, die mir noch nicht Auge in Auge gegenübergestanden haben, aber wenn jener Gärtner über den Hobbypoeten Teichmann schreibt: “Seine Gedichte hielt er unter Verschluß, nur in dem legendären Mammut-Reader bei Schröders März-Verlag waren einige erschienen”, dann ist dies, ein Blick ins Buch genügt, offensichtlicher Blödsinn. (Die Hommage to Mingus stand schon in März Texte 1 und nicht erst in Mammut, und weitere veröffentlichte Gedichte von Wulf Teichmann gibt es weder hier noch dort.) Aber da der Gärtner nicht immer der Mörder ist, sondern gelegentlich auch mal ein vitales Sprachpflänzlein züchten kann, sei ein solches doch um des lieben Friedens willen hier zum Abschluss zitiert: “Spielerische Wortgefechte liebte er. Nikotin bei der Arbeit und Alkohol danach waren ihm schon lange ein Bedürfnis gewesen und die langen Nächte eines, der schwer Schlaf fand, im Oblomow, in der Ku-Jambe, im Wagnerstübchen bei den Kiffern, im Flying Dutchman. Jetzt brauchte er es zum nackten Überleben, auch wenn es ihm ans Leben ging. Da äußerte sich der Schmerz in langen, eintönigen Gesängen. Er erinnerte einen an den alten Häuptling eines aussterbenden Indianerstammes.” Dieses Bild mag bleiben.

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