Kleines 1×1 der Buchbeschreibung (VI)

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Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag, 1969. – In dieser Form erscheinen die Verlagsangaben in der Regel in den antiquarischen Buchbeschreibungen. Dabei wäre der Ortsname in den meisten Fällen entbehrlich, denn schließlich ziehen solche Firmen ja nicht dauernd von einer Stadt zur anderen. Der über hundert Jahre alte Verlag von Ernst Rowohlt, um im Beispiel zu bleiben, ist dabei schon verhältnismäßig mobil gewesen. Er wurde 1908 in Leipzig gegründet, residierte nach dem Ersten Weltkrieg in Berlin, nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst in Stuttgart und Baden-Baden, bevor er 1950 nach Hamburg umzog und 1960 sein bis heute letztes Domizil in Reinbek fand. Weil Verleger meist eitle Menschen sind, breiten sie ihre Firmengeschichte mindestens alle 25 Jahre in detailreichen Chroniken aus. Diese Bücher können, neben den von besonders selbstverliebten Verlegern alljährlich herausgegebenen Verlagsalmanachen, wertvolle Rechercheinstrumente für den Antiquar sein.

Die – neben dem Namen des Autors und dem Titel – wichtigste bibliographische Angabe ist jedenfalls das Erscheinungsjahr. Eine Liste mit Veröffentlichungen eines Autors wird in aller Regel hiernach, also chronologisch in der Reihenfolge von deren Erscheinen geordnet sein. Dagegen könnte man mit Fug und Recht einwenden, dass doch vielmehr das Jahr der Entstehung bzw. Fertigstellung eines Schriftwerkes viel aussagekräftiger sei als das Jahr seiner Publikation, die ja nicht selten durch mancherlei Zufälle erst viele Jahre später, gelegentlich gar erst lange nach dem Tod des Autors erfolge. Mag sein! Und doch gilt als eigentliches ,Geburtsjahr‘ eines Buches das seiner ersten Vervielfältigung durch den Druck, die ja seinen öffentlichen Auftritt vor einem größeren Publikum erst möglich macht. Zudem ist der Entstehungszeitpunkt, oder richtiger: -zeitraum weit öfter unbekannt und auch nicht mehr ermittelbar, wohingegen indirekte Hinweise es meist erlauben, auch jene eher seltenen Bücher, in denen sich keine Jahreszahl ihres Erscheinens finden lässt, aufs Jahr genau zu datieren.

So wird das gelegentlich unvermeidliche Kürzel o. J. (für ,ohne Jahresangabe‘) oder lateinisch s. a. (für ,sine anno‘) nach manchmal geradezu detektivischen Ermittlungen vom Antiquar zu ergänzen sein durch einen Zusatz in eckigen Klammern, wie [ca. 1850], [zw. 1956 u. 1963] oder [nach 2004]. Hierbei können übrigens auch die sonst eher ungeliebten handschriftlichen Eintragungen der Vorbesitzer antiquarischer Bücher, wie Anschaffungsvermerke oder Widmungen, von großem Nutzen sein. In vielen Fällen hilft auch ein Blick in den Katalog der Deutschen Nationalbibliothek, der mittlerweile auch online verfügbar ist und für die meisten undatierten deutschen Bücher des 20. Jahrhunderts erfreulich zuverlässige Jahresangaben ausweist.

Für den Antiquar, der schließlich mit dem Verkauf alter Bücher seinen Lebensunterhalt bestreiten muss, ist das Erscheinungsjahr eines Buches, das er in Händen hält, aber noch aus einem anderen Grund bedeutsam. Viele Sammler haben sich nämlich auf den Erwerb von Erstausgaben (EA) spezialisiert. Dies mag der Laie für eine Narretei halten, unterscheiden sich doch spätere Auflagen ein und desselben Titels meist weder äußerlich noch vom Inhalt her von den Exemplaren der ersten Auflage. Es ist hier nicht die passende Gelegenheit, diese vermeintliche Marotte nach allen Dimensionen menschlicher Leidenschaft auszudeuten. Die Folge besagter Spezialisierung ist jedenfalls, dass Erstausgaben stets einen deutlich höheren Preis erzielen als alle weiteren Nachauflagen – selbst wenn diese ,um wichtige Zusätze erweitert‘, ,korrigiert‘ oder ,überarbeitet‘ erscheinen.

Und natürlich steigt der Preis einer Erstausgabe noch, wenn diese in einer verhältnismäßig kleinen Auflage erschien und das Buch anschließend ein ,Renner‘ wurde, es auf astronomische Auflagenzahlen brachte und sich zum ,Kultbuch‘ oder ,Klassiker‘ mauserte.