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Kleines 1×1 der Buchbeschreibung (V)

Friday, 13. August 2010

widmungandenunbekanntenverleger

Wenn jemand ein Buch geschrieben hat, dann hat er vier Möglichkeiten. Entweder verbrennt er es, dann ist es aus der Welt und er hat seine Ruhe. Oder er versteckt es in seiner Schublade, dann ist es mindestens fürs Erste aus der Welt, aber seine Ruhe hat er damit noch nicht, denn immerhin weiß er, dass da das Buch im Versteck lauert und vielleicht einmal hervorkommt, und sei es nach seinem Tod, und dann doch noch in die Welt hüpft, und was dann? Drittens kann er hergehen und es auf eigene Rechnung vervielfältigen, sagen wir hundert Stück per Xerokopierer® und Bindomatic®, um sie dann persönlich in der kleinen Welt seines Freundes- und Bekanntenkreises zu verschenken. Um seine Ruhe ist es dann voraussichtlich endgültig geschehen, denn er wird sich den Kopf zerbrechen, ob die vielen Lobesworte, die er anschließend zu hören bekommt, nicht falsche Komplimente sind, bis er irgendwann eines der per Hand gewidmeten und nummerierten Exemplare in einer Flohmarktkiste entdeckt, versehen mit überaus schmerzvollen Randnotizen und zum Preis von zwei Euro.

Darum wählt der Buchschreiber, der es wissen will, die vierte Variante, schickt die hundert xerokopierten und bindomaticgebundenen Exemplare seines Erstlingswerks per Post an zunächst bedeutende, dann aufstrebende, schließlich experimentierfreudige Verlage, erhält zunächst Absagen auf Vordrucken, dann Vertröstungen in persönlicher Form und schließlich Zusagen unter der Voraussetzung, dass er für einen Teil der Produktionskosten selbst aufzukommen bereit ist. Wenn ihm überm Schreiben noch nicht aller Realitätssinn abhandengekommen ist, lässt er es dabei bewenden. Er freut sich, dass ihn die wertvolle Erkenntnis, zum Schriftsteller nicht geboren zu sein, so wenig Zeit und Geld gekostet hat, um sich alsbald einer anderen Freizeitbeschäftigung zuzuwenden. Gehört er hingegen zu jener Sorte von Sturköpfen, die sich jede durch professionelle Gutachter erteilte Abfuhr nur als weitere Bestätigung ihrer vermeintlichen Genialität erklären können, dann wird die Irrfahrt richtig teuer und dauert schlimmstenfalls lebenslänglich.

Andererseits wächst die Produktion von Büchern und anderen Druckerzeugnissen in Deutschland Jahr für Jahr, sowohl in absoluten Stückzahlen (über eine Milliarde) als auch nach Zahl der verschiedenen Titel (mehr als hunderttausend). Folglich werden die Verlage, die diese Papierflut zu verantworten haben, immer wieder neue Autoren entdecken, denn es sterben ja auch ständig welche weg, deren Auswurf unmöglich allein durch Mehrarbeit der verbleibenden kompensiert werden kann. Schließlich herrscht aufseiten der Leser unausrottbar das Vorurteil, nach dem die jeweils allerneuesten Bücher den älteren unbedingt vorzuziehen sind, wie ja auch alle anderen Produkte wie Elektrogeräte, Fahrzeuge, Nahrungs- und Genussmittel, Hygieneartikel usw. laufend optimiert und den sich wandelnden Bedürfnissen und Moden angepasst werden.

Wenn bei meinem Leser aus dem bis hierher Gesagten der Eindruck erwachsen sollte, ich stünde dem Verlagswesen als solchem und auch den einzelnen Verlagen eher kritisch gegenüber, so bin ich gut verstanden worden. Aber noch in den finstersten Keller verirrt sich ab und zu ein Streifchen Licht. Und so will ich zum versöhnlichen Abschluss meiner Ausführungen über Buchverlage doch ein Gutes hervorheben, das sie immerhin durch ihre Namen als Bestandteil der Buchbeschreibung mit sich bringen.

Dem erfahrenen Leser, Sammler, Händler von Büchern wird nämlich durch kaum eine andere autobiographische Angabe mehr über ein ihm unbekanntes Buch und seinen Autor verraten, als eben durch dessen Zugehörigkeit zu einem Verlagsprogramm, das ihm vertraut ist. Wenn mir jemand sagt, dass ein Buch bei Diogenes oder Droemer Knaur, bei Lambert Schneider oder Langenscheidt, bei Kiepenheuer & Witsch oder Matthes & Seitz erschienen ist, dann weiß ich es auf einer imaginären geistigen Landkarte zu lokalisieren, weit zuverlässiger als durch das Lesen einer Inhaltsangabe oder Zeitungskritik. Hierfür sei den Verlagen gedankt!