Manchmal (I)

adler

Manchmal zweifle ich, ob dieses Projekt, mein Weblog, nicht etwa bloß eine Ablenkung von etwas anderem ist, ein Platzfüller, ein Mittel, den Tag zu bestreiten. Manchmal frage ich mich, ob das Schreiben daran, seit nun bald zwei Jahren und nahezu täglich, auch nur wieder eine Sucht ist, oder mindestens eine Gewohnheit, jedenfalls eine zwanghafte Widerholung ohne Aussicht auf ein natürliches Ende, also ziellos wie das Rauchen von Zigaretten oder das Überfliegen der Tageszeitung. Manchmal spiele ich mit dem Gedanken, diese liebe Gewohnheit von heute auf morgen aufzugeben, wie ich schon so viele Gewohnheiten, liebe und weniger liebe, im Laufe meines unfassbar langen Lebens aufgegeben habe, um die Zeit, die dadurch frei wurde oder besser leer, mit etwas anderem zu füllen, das vielleicht weniger ziellos sein und ein natürliches Ende immerhin in Aussicht stellen könnte.

Manchmal denke ich an die weit, weit zurückliegende, lange, lange vergangene Zeit zurück, als ich noch auf einer mechanischen Schreibmaschine der Firma Adler tippte [s. Titelbild], deren einziger besonderer Service darin bestand, gelegentlich durch Umschaltung des Farbbandes ein Wort in roter Schrift schreiben zu können, ein Luxus, der sich aber bald erstens als entbehrlich und zweitens als unökonomisch herausstellte, weshalb ich nach der nahezu restlosen Abnutzung der schwarzen und der nahezu spurlosen Schonung der roten Hälfte des Farbbandes nun ein konventionell rein schwarzes Band kaufte, ohne rote Halbspur, denn das konnte man umdrehen, wenn die obere Hälfte abgenutzt war, es hielt also doppelt so lange vor und war zudem auch in der Anschaffung etwas billiger.

Manchmal erinnere ich mich in diesem Zusammenhang auch an die verschiedenen Techniken, die gegen das unvermeidliche Übel des Vertippens seitens der Schreibwaren- und -maschinenhersteller in Anschlag gebracht wurden, nachdem ja zunächst das Durchixen das Mittel der Wahl gewesen und lange geblieben war; aber diese urtümlichen Verhältnisse liegen ja geradezu im Paläolithikum der mechanisierten Schreibtechnik, und so bin ich jetzt gerade tatsächlich gerührt, dass im aktuellsten Rechtschreibduden das Verb durchixen noch vorkommt, als „ugs. für auf der Schreibmaschine mit dem Buchstaben x ungültig machen“. (Duden. Die deutsche Rechtschreibung. 24., völlig neu bearb. u. erw. Aufl. Mannheim ∙ Leipzig ∙ Wien ∙ Zürich: Dudenverlag, 2006, S. 341. – Genau zwölf Seiten vorher steht übrigens der „Doppelklick“.) Manchmal denke ich, dass die enormen technischen Erleichterungen des Korrekturvorgangs beim Schreiben – vom Tipp-Ex-Streifen über Tipp-Ex flüssig über das Korrekturband und die Speicherschreibmaschine mit Zeilendisplay – paradoxerweise der Sorgfalt der Schreibenden und damit der Qualität ihrer Ergebnisse eher abträglich waren. Manchmal bin ich insofern ganz froh, diese mühselige Schule der Berichtigung mit meist nicht ganz sauberem Ergebnis durchgemacht zu haben und hoffe, dass sie mich zu einer Schreibdisziplin erzogen hat, die zuletzt mein Geschriebenes veredelt – und zuallerletzt dem Leser das Lesen erleichtert.

Manchmal trauere ich aber gar jener Zeit nach, als die Fehler auf dem Papier noch untilgbare Spuren hinterließen. Dann hieß es eben einfach: Auf ein Neues! Und manchmal, um endlich zu einem vorlufigen Schluss zu kommen, hoffe ich, dass die Spuren, die ich auf der Oberfläche (des Papiers, der Monitore) hinterlasse, zwar oberflächlich nahezu fehlerfrei sein mögen, sich aber irgengendwann, genauer betrachtet, als ein einziger großer Fehler erweisen, allerdings mit keinem noch so deckfähigen Liquid Paper zu tilgen.

2 Responses to “Manchmal (I)”

  1. Dietmar Hillebrandt Says:

    Manchmal irrt der Mensch und macht Fehler. Errare… – Fehler, die man absichtlich macht, s. letzter Absatz, sind keine. – Manchmal freut sich dann aber ein Besserwissi. – Das Schreibgerät scheint hier nicht das Problem, eher der Zweifel am Schreiben überhaupt. Der plagt mich auch, ob vor der Elektroschreibmaschine “mit Zeilendisplay” (hatte ich auch mal, vor zehn Jahren verkauft) oder der Computertastatur. Auch Blogs lassen sich komplett mit ein paar Klicks löschen oder man lässt sie einen langsamen schweigsamen Tod sterben. Aber schreiben Sie “manchmal” weiter, Sie sehen ja, man kann nie wissen, welch tumber Tor über Ihre Worte stolpert.

  2. Revierflaneur Says:

    @ Dietmar Hillebrandt: Mitnichten habe ich absichtlich “vorlufigen” geschrieben. Aber wie soll ich das nun beweisen? Korrigieren werde ich den Fehler jetzt natürlich erst recht nicht, sonst wäre der nette Kommentar ja unverständlich.

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