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Was? Von wem?

Tuesday, 03. November 2009

Fragt man mich nach meinen Lieblingsbüchern oder, noch schlimmer, meinem einen allerliebsten Lieblingsbuch, dann verweigere ich prinzipiell die Antwort und liefere ersatzweise eine Beschreibung dessen, was Bücher an sich haben müssen, um sich aus der Vielzahl der Bücher, die ich lesend prüfe, als besonders beglückende hervorzuheben. Im Regelfall ist Lesen für mich eine, wenngleich meist angenehme, Art von Arbeit, nach der ich, wenn ich sie abgeschlossen, das betreffende Buch also bis zum Ende gelesen oder aber als ungenießbar aus der Hand gelegt habe, ein Gefühl der Erleichterung verspüre: Geschafft! Ganz selten aber fällt mir ein Buch zu, bei dem ich schon nach wenigen Seiten den irrationalen Wunsch verspüre, dass es nie zu einem Ende kommen möge. Ich drossele dann sofort mein Lesetempo, lese jeweils nur eine kleine Portion, gönne mir pro Tag bloß ein paar Seiten und finde ein außergewöhnliches Vergnügen darin, wann immer ich ein solches Buch wieder zur Hand nehme, mir zunächst die beim vorigen Mal gelesenen Seiten erneut zu Gemüte zu führen, wobei ich, auch das macht ja die besondere Qualität dieses Buches aus, stets überrascht bin, dass ich beim ersten Lesen längst nicht alle Feinheiten seiner Machart durchschaut noch alle Einzelheiten seines Inhalts angemessen gewürdigt habe.

Lange, zu lange musste ich zuletzt auf diese ebenso beglückende wie seltene Erfahrung warten. Ich war schon geneigt zu glauben, meine Ansprüche seien mittlerweile zu hoch, um noch einmal in den Genuss eines Buches kommen zu können, das die beschriebene Wirkung auf mich haben würde. Seit ein paar Tagen nun lebe ich mit einer Lektüre wie im Rausch.

Das Buch, das ich lese, ist ein Kriminalroman. Ich habe vor etlichen Jahren eine Phase durchlesen, in der ich Krimis im Dutzend verschlang. Einige wenige – von der Highsmith, von Boileau und Narcejac, von Patrick Quentin – hinterließen aus verschiedenen Gründen einen bleibenden Eindruck. Etlichen bei meinen Freunden beliebten, von ihnen vielfach gelobten Autoren dieses Genres versuchte ich mich mehrfach anzunähern, ohne etwa mit Georges Simenon, Raymond Chandler, Friedrich Glauser oder Boris Akunin so recht warm werden zu können.

Auf jene Krimileser, denen es darum ging, im Verlauf der Handlung möglichst frühzeitig den Täter zu erraten, sah ich mit leichter Geringschätzung herab. Literaturgenuss ist doch kein Ratespiel! Ein Kriminalroman soll bekanntlich vor allem spannend sein. Was das betrifft hielt ich es aber eher mit Krimis, bei denen ich mit einem längst bekannten Täter zittern musste, der mit allen Mitteln seiner Entlarvung zu entgehen versucht. Wie er da immer weiter in die Enge getrieben wird und in hoffnungslosen Situationen, in denen der Leser längst alles verloren glaubt, trotzdem noch einen Ausweg findet, wenngleich natürlich nur für ein weiteres kurzes Weilchen – das konnte, wenn es vom Autor meisterlich betrieben wurde, schon einen unvergleichlichen Genuss bereiten.

In dem Kriminalroman, der mir jetzt den so lange entbehrten Hochgenuss bereitet, steht nun aber die Frage nach dem Täter, genauer: der Identität des Mörders, steht jenes konventionelle Whodunit überraschenderweise im Vordergrund.

[Wird fortgesetzt und aufgeklärt.]