Stammhaus

Gerade erst vor vier Jahren bei Klartext in Essen erschienen und schon wieder im Ramsch: der wunderbare große Bildband über die legendäre Krupp-Jubiläumsfeier zum hundertjährigen Bestehen der Firma im Jahre 1912. Die Bücherverschrottung findet in immer kürzeren Intervallen statt. Ich erinnere mich noch gut, dass zum Beispiel die Tagebücher von Hugo Ball, Die Flucht aus der Zeit, in der 1946er-Ausgabe des Stocker-Varlags in Luzern bis weit in die 80er-Jahre hinein ganz regulär lieferbar waren, zum Preise von dreizehneinhalb Schweizer Franken. War damals der Lagerplatz so viel billiger – oder die Geduld der Verleger einfach größer?

Verwunderlich auch, dass Autor und Verlag nicht bis zum Jubiläumsjahr 2012 gewartet haben. Da hätte die ThyssenKrupp AG doch gewiss eine stattliche Menge als Präsent für Freunde im In- und Ausland abgenommen. Nun kann man zwar in drei Jahren einen preiswerten Nachdruck herstellen, falls gewünscht mit besonderem, „individualisiertem“ Einband oder speziellen Vorsatzblättern des Unternehmens. Aber ein solches Präsent kommt doch mindestens bei jenen Beschenkten nicht gut an, die sich das Buch bereits 2005 zum Preis von ursprünglich 29,95 Euro zugelegt haben – und das sind schließlich jene, die wenigstens oberflächlich an der Geschichte Krupps interessiert sind. Bei den anderen Jubiläumsgratulanten bedankt man sich ohnehin besser mit einem Fläschchen Krimsekt.

Das Jubiläumsbuch zum Jubiläum kostet nun bei den örtlichen Großbuchhändlern, bei der Mayerschen und Thalia, nurmehr ein Drittel seines Originalpreises und wird so hoffentlich noch viele dankbare Käufer, Leser und vor allem Betrachter finden. Die verdient es nämlich, denn es bietet eine Fülle nie zuvor veröffentlichter Bilder mit großer Aussagekraft und hohem Erkenntniswert. „Herr Prof. Dr. h. c. mult. Berthold Beitz (*1913) und die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung“ haben als Inhaber des Historischen Archivs Krupp in Essen die Abdruckgenehmigung für diese Bilder erteilt. Ausdrücklich heißt es aber einschränkend: „Die Bildrechte verbleiben weiterhin beim Historischen Archiv Krupp.“

Tja, was heißt das nun für mich, den kirchenmausarmen Non-Profit-Blogger? Darf ich meinen doch ganz unschuldig für dieses schöne (und zudem jetzt selbst für mich noch erschwingliche) Buch werbenden Artikel nicht mit einem Bild aus dem besagten Buch schmücken? Zum Beispiel mit jenem Foto des „Stammhauses“ von 1935, inmitten der Werksanlagen zwischen der Rückseite des neuen Hauptverwaltungsgebäudes und dem Martinwerk 3? Na gut, dann scanne ich dieses berühmte Bild nicht von Seite 57 des neuen Buches, sondern von der Tiefdrucktafel gegenüber Seite 206 des Buches von Wilhelm Berdrow, das zum Jubiläum 150 Jahre Krupp 1937 [!] erschienen ist.

(Und der guten Form halber hier auch die vollständigen bibliographischen Angaben beider Bücher. Wilhelm Berdrow: Alfred Krupp und sein Geschlecht. 150 Jahre Krupp-Geschichte 1787-1937 nach den Quellen der Familie und des Werks. Mit über 100 Bildern im Text und auf 32 Tiefdrucktafeln. Berlin: Verlag für Sozialpolitik, Wirtschaft und Statistik Paul Schmidt, 1937. – Klaus Tenfelde: „Krupp bleibt doch Krupp“. Ein Jahrhundertfest: Das Jubiläum der Firma Fried. Krupp AG in Essen 1912. Essen: Klartext Verlag, 2005.)