Pushkids (IV)

Ich werde insgeheim gewusst haben, warum ich die Geschichte von Suche und Erwerb eines idealen Küchenabfallbehälters für ein kleines Weilchen auf Eis gelegt habe. Heute jedenfalls fiel mir das Fragment aus eins, zwei, drei Folgen plötzlich wieder ein wie eine im Ansatz stecken gebliebene Sünde, die schon deshalb keine Vergebung findet, weil es ihr am krönenden Abschluss mangelt. Küchenlateiner würden es vielleicht einen cogitus interruptus nennen.

Der Anlass? Ich schnupperte heute ganz oberflächlich im Beibuch zur endlich erschienen deutschen Übersetzung von David Foster Wallacemagnum opus, genauer gesagt in den spaßigen – nicht humorvollen! – Bemerkungen des Übersetzers Ulrich Blumenbach, gemeint als Antwort auf die Frage, „wie ich Infinite Jest lieben und trotzdem übersetzen lernte”, als ich schon auf der vierten Seite auf folgende Stelle stieß:

„Schon auf der ersten Seite stößt man auf die zunächst unverständliche Überschrift ,Year of Glad‘. Im Lauf der Lektüre stellt sich heraus, dass unsere julianisch-/gregorianische Zeitrechnung durch die ,Sponsorenzeit‘ abgelöst worden ist. Amerikanische Konzerne können sich vom Staat ein Jahr kaufen und nach ihren Produkten benennen. Wallace gibt den Jahren nun sehr profane Produktnahmen. Das Year of Glad der ersten Seite heißt so nach einer weitverbreiteten Müllbeutelmarke […].” (Ulrich Blumenbach: Am Fuß vom Text; in: David Foster Wallace – Unendlicher Spaß. Zusatzmaterial. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2009, S. 16.) – Na, wenn der Name einer Müllbeutelmarke zur allerersten Kapitelüberschrift in einem „Jahrhundertroman” taugt und zur Bezeichnung des letzten Jahres einer fiktiven neuen Zeitrechnung, dann ist das ganze Müllthema vielleicht doch nicht so trivial, wie ich zuletzt selbstkritisch meinte.

Wo waren wir also? Ja, richtig: Es gab da diesen Streit zwischen meiner Gefährtin und mir, bei dem es um die Frage ging, ob der fest zur Anschaffung in den Blick genommene Pushboy (oder meinetwegen auch Baseboy) von der Nobelfirma Wesco nun ausschließlich mit Marken-Müllbeuteln der gleichen Firma zu versehen sein würden, oder ob wir es auch bei gleich- oder immerhin ähnlichformatigen No-Name-Müllbeuteln würden bewenden lassen können, wenn hierdurch laufende Kosten zu verringern wären.

Nach dieser Episode stockte die Erzählung, wie auch unser Kaufvorhaben ins Stocken geriet. Insgeheim malte ich mir aus, wie es wohl wäre, wenn ich vollendete Tatsachen schüfe und kaltblütig sowohl einen 50-Liter-Pushboy von Wesco zum Preis von 130 Euro als auch zehn Packungen à 20 Wesco-Original-Müllbeutel zum Preis von insgesamt 39,90 Euro kaufte, um endlich das Problem vom Tisch zu haben und mich wieder wichtigeren Fragen zuwenden zu können. Andererseits: Konnte ich mir einen solchen Affront gegen meine Gefährtin in dieser durch die Umzugskatastrophe ohnehin schon angespannten Gemütslage, ständig zwischen Hysterie und Apathie schwankend, wirklich leisten? Was, wenn das Müllensemble aus irgendwelchen unvorhergesehenen Gründen nun nicht funktionierte? Dann trug ich die volle Verantwortung und würde unweigerlich auf unabsehbare, jedenfalls sehr lange Zeit Hohn und Spott ertragen müssen: „Wer wollte denn partout seinen Kopf durchsetzen? Ich weigere mich jedenfalls, den Müll rauszubringen. Diese Würgerei bei jedem Rausnehmen des Müllbeutels aus diesem Monstrum tue ich mir nicht an. Viel Spaß!” – Nein, zu diesem Schwerthieb durch den gordischen Knoten konnte ich mich nicht ermannen.

[Wird vielleicht fortgesetzt.]