Pushkids (I)

Ein wesentlicher Stressfaktor beim Umzug ergab sich aus der allgegenwärtigen leidigen Frage: „Aufbewahren oder wegwerfen?” Wir entdeckten Dinge, die zu besitzen wir längst vergessen und die wir in den vergangenen viereinhalb Jahren niemals entbehrt hatten. Uns begegneten zahllose Fehlkäufe, unwillkommene Geschenke von dubiosester Provenienz, angeknackste, aber doch noch nicht restlos defekte Sächelchen, Krimskrams von ausschließlich sentimentalem Wert, originelle Staubfänger und provozierend hässliches Zeugs, das vielleicht doch noch zu dokumentarischen Zwecken taugte.

Erschwert wurde das Abwerfen dieses vielgestaltigen Ballasts durch den vertrauten Umstand, dass wir uns nur in der Minderheit der Fälle über Wert oder Unwert eines jeden Einzelstücks einig wurden. Zudem befand ich mich aus bekannten Gründen in diesen Konfliktfällen stets in der schwächeren Position. Wer zehntausend Bücher um sich herum angestaut hat, sollte sich hüten, seine Gefährtin wegen lächerlicher fünf Dutzend Paar Schuhe einen Messie zu schimpfen.

Nachdem wir uns wochenlang über das Bleiberecht toter Gegenstände in unserem Haushalt gestritten hatten, beschlossen wir, uns zum Ende dieser Zerreißprobe mit einem nützlichen neuen Gegenstand zu belohnen: einem besonders schönen, soliden und zweckmäßigen Küchenabfalleimer! In den mehr als drei Jahrzehnten unserer häuslichen Gemeinschaft hatten wir etliche kleine, mittlere und große Mülleimer aus Kunststoff oder Metall in unserer Küche beheimatet, alle hatten ihre funktionalen oder ästhetischen Nachteile gehabt und waren schnell verschlissen, was aber dank ihres geringen Preises leicht zu verschmerzen war. Warum sollten wir uns jetzt nicht einmal einen Abfalleimer für die Ewigkeit gönnen?

Nach oberflächlicher Orientierung über das gehobene Abfalleimerangebot verständigten wir uns bald darauf, dass eigentlich nur eins jener stilvollen Entsorgungsgefäße aus dem Hause Wesco in Frage kam. Schon die Erfolgsstory der Firma M. Westermann & Co. aus dem sauerländischen Arnsberg war uns rundweg sympathisch: „Schon bald nach seiner Gründung im Jahr 1867 spezialisierte sich das Unternehmen auf die Verarbeitung von Blechen für Haushaltwaren und baute das Sortiment stetig aus. In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts hielt der ,Ascheimer‘ Einzug in das Produktsortiment und nach dem Krieg produzierte Wesco seinen ersten ,Treteimer mit Fuß‘.” (Wesco-Website) Den ganz großen Durchbruch verdankt Wesco aber einer glücklichen Fügung. Egbert Neuhaus weilte als jüngster Spross im Familienbetrieb Anfang der 1970er-Jahre als Austauschstudent in Texas. Dort fielen ihm die typisch amerikanischen Abfallbehälter mit einem Fassungsvermögen von 50 Litern und mehr auf, die ursprünglich für die Gastronomie entwickelt worden waren, dank der leichtsinnigen Mentalität der Wegwerfgesellschaft jedoch längst auch Einzug in die Privathaushalte gefunden hatten. Bald produzierte Wesco nach dem Vorbild der amerikanischen Trash cans ähnlich geräumige Abfallsammler, die in Anlehnung an den Schriftzug auf der großen Einwurfklappe hierzulande auf den Namen „Pushboy” getauft wurden.

So machten wir uns am ersten Tag nach der erfolgreichen Wohnungsübergabe von der neuen Wohnung aus auf den Weg in die Essener Innenstadt, um unseren ersten und letzten Pushboy zu erstehen. (Fortsetzung folgt.)

2 Responses to “Pushkids (I)”

  1. BiKe Says:

    Hallo Manuel,

    herzlichen Glückwunsch zur neuen Wohnung und zum Wesco. Darf ich an dieser Stelle mitteilen, dass ich seit Februar ebenfalls stolze und zufriedene
    Besitzerin eines Wesco-Pushboys bin. Übrigens in Graphit, falls es jemanden interessiert.

  2. Revierflaneur» Blogarchiv » Dienstag, 25. August 2009: Pushkids (IV) Says:

    […] für ein kleines Weilchen auf Eis gelegt habe. Heute jedenfalls fiel mir das Fragment aus eins, zwei, drei Folgen plötzlich wieder ein wie eine im Ansatz stecken gebliebene Sünde, die schon […]

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