Archive for February 2nd, 2009

Schmutz

Monday, 02. February 2009

Was bleibt, nachdem nun diese 77 Jahre und 35 Tage gezählt sind? Ein Rechteck von 54 Quadratzentimetern, den einen Millimeter breiten schwarzen Rand mitgerechnet. Darin, rechtsbündig über dem Namen des Verstorbenen, seinen Lebensdaten und den Namen seiner engsten Angehörigen sowie dem Termin und Ort der Beerdigung, ein vieldeutiger Satz nach Michel de Montaigne: „Die Natur versteht ihre Sache besser als wir.”

Was noch? Bei einem seiner – nicht allzu zahlreichen – Leser wie mir: das Bedauern, dass hier wieder einmal jemand aus dem mächtigen Schatten eines Verwandten nie hat heraustreten können. Diesmal war’s der große Bruder, der wie zum Hohn seine Größe gleich mit im Namen führte. Und immer muss da ja im Hinterkopf der schmachvolle Verdacht schwelen, dass der geringere Erfolg sich teilweise auch noch von der strahlenden Prominenz des Namens herleitet, die der Bruder ihm verschafft hat. Gar Fälle von Verwechslung sind einzukalkulieren!

Aber dann bleiben vorzüglich seine Übersetzungen aus dem Englischen, insbesondere der Carroll’schen Alice-Romane, und hier wiederum an erster Stelle seine geniale deutsche Übertragung des Jabberwocky, den er Zipferlake nannte. Darauf muss man erst mal kommen!

Und schließlich bleibt sein letztes Buch, Was ist Was, das ich mir bei seinem ersten Erscheinen 1987 in der „Anderen Bibliothek” von Franz Greno in Nördlingen ausnahmsweise in der schon fast dekadent auf bibliophil getrimmten Vorzugsausgabe gegönnt habe: „Das Handbütten à Fleur mit eingeschöpften Blüten und Blättern der Auvergne lieferte Richard de Bas in Ambert d’Auvergne.” [s. Titelbild]

Und darin klingen jetzt die letzten Zeilen (S. 602) wie ein Epitaph (auf das Buch? oder die Menschennatur? oder auf sich selbst als Autor?): „Und noch nicht genug: denn jeder von uns hat ein solches kleines Buch in dem großen, ob geschrieben oder nicht, und jeder ein anderes – aber ein Buch jedesmal, und immer sagt es dasselbe: die Welt kann zu allem werden, was von ihr gewollt wird, wir müssen uns nur weitererfinden, erst so endlich bekommt das Schöne sein Recht übers Wahre, amen, das ist der Schluß, jetzt bin ich fertig.” (Und dann folgen doch noch zwei Wörter, die ich aber verschweige.)