Dingwelt (VIII)

„Unkaputtbar” – mit diesem Neologismus bewarb Coca-Cola in Deutschland 1990 die Einführung der PET-Pfandflaschen. Zwar hat es das neue Adjektiv noch nicht in den Duden geschafft, aber im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich‘s längst durchgesetzt, was über hunderttausend Belegstellen bei Google bezeugen. Ein Konsum- bzw. Gebrauchsartikel, der angeblich nicht kaputtgehen kann, scheint also damit in neuerer Zeit wieder einen hohen Kaufanreiz zu bieten. Das ist nur zu verständlich, denn bis dahin hatten sich in der kapitalistischen Warenproduktion dem ganz entgegengesetzte „Werte” durchgesetzt, die nun zunehmend in Verruf gerieten. Es herrschte zuvor eine Ex-und-hopp-Mentalität. Wenngleich möglichst billige, jedoch entsprechend kurzlebige Erzeugnisse fanden reißenden Absatz. Die Ergebnisse soliden Handwerks fristeten neben den Wegwerfprodukten der Massenproduktion nur noch ein Nischendasein für Besserverdienende.

Als wir vor vier Jahren wieder mal umzogen, leisteten wir uns einen neuen Staubsauger. In unserer aktuellen Mietwohnung liegt, noch vom Vormieter, eine dunkelblaue „Auslegeware”, Loriot lässt grüßen. Unsere Hündin Lola ist blond. Mindestens zweimal pro Jahr kommt sie in die Mauser, das sieht man auf dem blauen Teppich dann sehr. Folglich entschieden wir uns für einen Sauger, dem wir zutrauen, diesem wiederkehrenden Problem mit speziellen Düsen begegnen zu können. Unsere Wahl fiel auf den AEG Electrolux Twinclean, einen Bodenstaubsauger, der ohne die unsäglichen Tüten auskommt, also auf ein Stiefkind der genialen Erfindung von Sir James Dyson. Diesen Staub- und Haarfresser ließen wir uns damals rund 350 Euro kosten. Was tut man nicht alles für seinen Hund!

Bis vor ein paar Tagen leistete uns der Sauger gute Dienste, wenngleich er immer mal wieder kurzfristig streikte. Eine rote Warnleuchte blinkte dann auf, Twinclean war außer Atem gekommen und bat um eine Verschnaufpause. Auch die rotierenden Bürsten blockierten gelegentlich, wenn sich allzu viele blonde Hundehaare in ihnen verfangen hatten. Aber mit solchen Arbeitsunterbrechungen lernt man als geprüfter Hausmann zu leben. Zwischenzeitlich las ich dann in Peter Moslers Die vielen Dinge machen arm.

Als wirklich praktisch erwies sich auch, dass wir unser staubsaugendes „Haustier” an der langen Leine führen konnten. Dafür sorgte ein Kabelaufroller. Nach dem Druck auf eine besondere Taste schnurrte die viele Meter lange Schnur zurück in seinen dicken Bauch. Bis vor ein paar Tagen. Dann versagte dieser devote Service plötzlich und ohne erkennbaren Grund seine satt schnackende Gefälligkeit. – Ulla schraubte das dienstbare Gerät auf und kämpfte sich tapfer bis zum Auslöser seiner hoffentlich nur vorübergehenden Betriebsstörung vor. Der zauberhafte Rückwickelmechanismus wurde von einer gespannten Metallfeder [s. Titelbild] bewirkt, die sich – warum auch immer – verheddert hatte. Der tief im Plastikbauch unseres Saugers versteckte Aufroller erwies sich beim besten Willen als absolut irreparabel. Reklamationsfristen sind nach vier Jahren selbstverständlich längst abgelaufen. Wenn ich nun an dieser Stelle von einer böswillig beabsichtigten „Sollbruchstelle” des Herstellers sprechen würde, zöge er mich vielleicht vor den Kadi, wegen geschäftsschädigender übler Nachrede.

Nun tröste ich mich erstens mit dem kreativen Einfall, dass vielleicht der defekte Kabelrückspul-Mechanismus des Saugers durch einen externen Kabelaufwickler ersetzt werden kann. Zweitens rede ich mir ein, dass dieser ganz außergewöhnliche Unglücksfall keinerlei Rückschlüsse auf die Fertigungsqualität moderner Industrieprodukte zulässt: Honi soit qui mal y pense! Drittens unterstelle ich meiner Frau, dass sie durch unsachgemäße Handhabung unseres sonst doch bisher so treuen Staubsaugers dessen Versagen selbst ausgelöst hat. Und viertens frage ich mich, warum denn bloß der brave Staub, Niederschlag einer unbekümmerten Endzeitlichkeit, sub specie aeternitatis in dermaßen schlechtem Ansehen steht.

One Response to “Dingwelt (VIII)”

  1. Matta Schimanski Says:

    “Nun tröste ich mich erstens mit dem kreativen Einfall, dass vielleicht der defekte Kabelrückspul-Mechanismus des Saugers durch einen externen Kabelaufwickler ersetzt werden kann.” – Der externe Kabelaufwickler ist man(n) doch im Allgemeinen dann selbst.

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