Non-believers

Da hat nun also der Mann aus Honolulu zu seinem Amtsantritt eine tatsächlich jeden denkenden und zugleich empfindsamen Menschen bewegende Rede gehalten, die man im vollständigen Wortlaut überall auf der Welt nachlesen kann – und die mir vorgestern in deutscher Übersetzung von meiner Tageszeitung zum Frühstück serviert wurde. (Süddeutsche Zeitung Nr. 16 v. 21. Januar 2009, S. 2.)

“We Have Chosen Hope Over Fear”. – „Wir haben die Hoffnung über die Furcht gestellt”. Unter diesem Titel kündigt der 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika einen Systemwandel, einen politischen Wetterwechsel, eine Rückkehr zu alten Tugenden, eine moralische Erneuerung der Weltmacht Nr. 1 an, die man nach den schier endlos scheinenden, bitter missglückten acht Amtsjahren seines Vorgängers kaum mehr für möglich gehalten hätte.

Ich bin meiner Tageszeitung noch heute dafür dankbar, dass sie mich früher als alle anderen Medien hierzulande darüber unterrichtete, welch vielversprechenden Kandidaten die Democratic Party da ins Rennen um die Präsidentschafts-Kandidatur geschickt hatte. Das dürfte wohl nun schon fast zwei Jahre her sein. Meinem Arbeitskollegen am gegenüberliegenden Schreibtisch – ich war da noch „in Arbeit” – rief ich damals zu: „Merken Sie sich mal den Namen Barack Obama. Das ist der nächste Präsident der USA.” Und später hoffte und bangte ich monatelang im kräftezehrenden Vorwahlkampf „meines” Kandidaten gegen seine Parteigenossin Hillary Clinton, gegen jene Frau, die ihrem Ehegatten, dem 42. Präsidenten der Weltmacht, den Blowjob mit seiner Praktikantin verziehen hatte, dass Barack Obama trotzdem und obwohl sein Name so fatal an den des Staatsfeinds Nr. 1, Osama bin Laden, erinnerte, schließlich den Sieg davontragen würde. Das ist nun alles Vergangenheit.

Was ich meiner Tageszeitung, der Süddeutschen, allerdings nie verzeihen werde, das ist ein Fauxpas, der außer mir vermutlich keinem ihrer Leser aufgefallen sein dürfte. Im Text der Obama-Rede hebt die SZ einige Passagen rot hervor, um ihre besondere Bedeutung in Marginalien zu kommentieren. Dass Barack Obama sein Land als „eine Nation von Christen und Muslimen, Juden und Hindus – und von Atheisten” bezeichnet, wertet die SZ-Redaktion, wohl zu Recht, als „Novum in einer Inaugurationsrede. Obama zählt auch die Muslime, Juden, Hindus und Atheisten zu den Bürgern, welche die Grundlage der amerikanischen Nation bilden.”

Mal abgesehen davon, dass Obama die fünfte Weltreligion, den Buddhismus, in seine Aufzählung nicht aufnahm und somit auch den Dalai Lama brüskiert haben dürfte, befremdet mich, dass meine Frühstückszeitung die believer in fettem Rot hervorhebt, die non-believer hingegen in tristem Schwarz belässt [s. Titelbild]. Da war offenbar in der Schlussredaktion der SZ ein Praktikant zugange, der sonntäglich den Klingelbeutel durch St. Peter trägt.

10 Responses to “Non-believers”

  1. Präsident Obama.com › Neueste Nachrichten über US-Präsident Barack Obama Says:

    […] Nachrichten über US-Präsident Barack Obama Freitag, 23. Januar 2009: Non-believers – revierflaneur.de 01/23/2009 Da hat nun also der Mann aus Honolulu zu seinem Amtsantritt eine […]

  2. Günter Landsberger Says:

    http://www.handelsblatt.com/politik/international/obama-rede-fuer-hoffnung-entschieden;2130436;0

    (deutsch und englisch / ohne jede Hervorhebung durch anderen Druck)

  3. Günter Landsberger Says:

    Im Übrigen: Ist denn der Buddhismus nicht die einzige große atheistische Religion, die es gibt? Wieso ist er dann ausgelassen worden?

  4. Revierflaneur Says:

    Die Vorstellung, dass der Buddhismus eine “atheistische Religion sei”, weil er auf die monotheistische Idee eines allmächtigen Schöpfer-Gottes verzichtet, ist im Westen sehr verbreitet, ursprünglich wohl, um diese Glaubensrichtung zu diskreditieren. Sehr wohl gibt es auch im Buddhismus die (polytheistische) Vorstellung von Göttern, höheren Wesen bzw. Mächten, die allerdings ebenfalls in den ewigen Kreislauf des Seins eingebunden sind. Ersatzweise wurde gelegentlich der Begriff “apersonale Religion” für den Buddhismus vorgeschlagen, den ich aber auch nicht sehr glücklich finde. Sollte Obama tatsächlich den Buddhismus nicht eigens erwähnt haben, weil er ihn dem Atheismus zurechnet, was ich nicht glaube, dann dürfte er sich damit bei den Buddhisten dieser Welt sicher noch unbeliebter gemacht haben als durch die bloße Nichterwähnung.

    Danke, lieber Günter, für den Hinweis auf den Redetext im “Handelsblatt”. Die deutsche Übersetzung weicht an einigen sehr interessanten Stellen von der Übersetzung in der “Süddeutschen” ab.

  5. Günter Landsberger Says:

    Der amerikanische Originaltext spricht von “non-believers”. Ist denn der Buddhismus eine Religion, in der (an einen oder viele persönliche Götter) geglaubt wird im Sinne eines (ausdrücklichen oder unausdrücklichen) Glaubensbekenntnisses? Und wohlgemerkt: Glauben bedeutet hier nicht “Für-wahr-Halten”.

    Darf ich Dich im Übrigen daran erinnern, dass Schopenhauer gerade den “Atheismus” im Buddhismus besonders geschätzt hat und dass auch Bloch, der Schopenhauerkenner, mit dem traditionspolemischen Titel “Atheismus im Christentum” aufstören wollte?

  6. Matta Schimanski Says:

    Besonders hübsch finde ich die Formulierung “ungläubige Menschen” als Übersetzung für “non-believers” – auf der ersten Seite der WAZ vom 21.01.2009!

  7. Matta Schimanski Says:

    Der Hecht

    Ein Hecht, vom heiligen Anton
    bekehrt, beschloß, samt Frau und Sohn,
    am vegetarischen Gedanken
    moralisch sich emporzuranken.

    Er aß seit jenem nur noch dies:
    Seegras, Seerose und Seegrieß.
    Doch Grieß, Gras, Rose floß, o Graus,
    entsetzlich wieder hinten aus.

    Der ganze Teich ward angesteckt.
    Fünfhundert Fische sind verreckt.
    Doch Sankt Anton, gerufen eilig,
    sprach nichts als »Heilig! heilig! heilig!«

    (Christian Morgenstern, Galgenlieder, 1932)

  8. Revierflaneur Says:

    Das WAZ-Blatt hätte ich gern. Oder ist es schon zum Altpapier gewandert?

  9. Matta Schimanski Says:

    Zwar schon im Altpapier, aber im Hausflur und daher noch zu retten. Aber ob die WAZ noch zu retten ist? (An die WAZler: Hey, Leute, war bloß ‘ne Frage!)

  10. Günter Landsberger Says:

    Für Matta S. und Morgenstern

    DES ANTONIUS VON PADUA FISCHPREDIGT

    Antonius zur Predig
    Die Kirche findt ledig.
    Er geht zu den Flüssen
    Und predigt den Fischen;
    Sie schlagn mit den Schwänzen,
    Im Sonnenschein glänzen.

    Die Karpfen mit Rogen
    Sind all hieher zogen,
    Haben d’ Mäuler aufrissen,
    Sich Zuhörens beflissen:
    Kein Predig niemalen
    Den Karpfen so gfallen.

    Spitzgoschete Hechte,
    Die immerzu fechten,
    Sind eilend herschwommen,
    Zu hören den Frommen:
    Kein Predig niemalen
    Den Hechten so gfallen.

    Auch jene Phantasten,
    So immer beim Fasten,
    Die Stockfisch ich meine,
    Zur Predig erscheinen:
    Kein Predig niemalen
    Den Stockfisch so gfallen.

    Gut Aalen und Hausen,
    Die Vornehme schmausen,
    Die selber sich bequemen,
    Die Predig vernehmen:
    Kein Predig niemalen
    Den Aalen so gfallen.

    Auch Krebsen, Schildkroten,
    Sonst langsame Boten,
    Steigen eilend vom Grund,
    Zu hören diesen Mund:
    Kein Predig niemalen,
    Den Krebsen so gfallen.

    Fisch große, Fisch kleine,
    Vornehm und gemeine,
    Erheben die Köpfe
    Wie verständge Geschöpfe:
    Auf Gottes Begehren
    Antonium anhören.

    Die Predigt geendet,
    Ein jedes sich wendet,
    Die Hechte bleiben Diebe,
    Die Aale viel lieben.
    Die Predig hat gfallen.
    Sie bleiben wie alle.

    Die Krebs gehn zurücke,
    Die Stockfisch bleiben dicke,
    Die Karpfen viel fressen,
    Die Predig vergessen.
    Die Predig hat gfallen,
    Sie bleiben wie alle.

    – Achim von Arnim, Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. München 1957 (zuerst 1805)

    Auf Mahlers großartige Vertonung des Gedichtes als Klavier- und als Orchesterlied brauch ich wohl nicht auch noch zu verweisen?

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