Spiel (I)

hahnenkampfbusch

Partie in der „Schacharena“, rdtd80 – Revierflaneur (18.08.08, 13:56 bis 14:12 Uhr): 1. e2-e4 e7-e5 2. Sg1-f3 Sb8-c6 3. Lf1-c4. Das ist die Italienische Partie, auch bekannt als Giuoco Piano. Sie wurde bereits im 15. Jahrhundert in der Göttinger Handschrift (Philos 85) erwähnt und zählt damit zu den ältesten dokumentierten Schacheröffnungen überhaupt. Die üblichen Erwiderungen sind 3. … Lf8-c5, 3. … Sg8-f6 oder gelegentlich noch die Ungarische Verteidigung mit 3. … Lf8-e7 (ECO-Code C50-C59).

Wie man erfahrungsgemäß dann weiterspielt, das wissen die starken Spieler in dieser Arena besser als ich. Ich habe nie den Fleiß aufgebracht, das kleine Einmaleins der Schacheröffnung zu pauken, vom großen ganz zu schweigen. Darum versuche ich vorzugsweise mein Glück mit Varianten, die man weder hier noch dort findet und wähle in dieser Situation öfter mal die gewiss längst widerlegten Züge 3. … Sg8-h6 oder wie in diesem Fall 3. … Dd8-f6, mit denen ich durchaus schon Erfolg hatte. Nachteilig ist, dass die Dame in dieser Position schnell in Gefahr geraten kann, dass das Feld f6 für den Sg8 verstellt ist und dass Weiß seine Dominanz im Zentrum weiter ausbauen kann. Der einzige für mich entscheidende Vorteil besteht darin, dass Weiß schon in dieser frühen Phase gezwungen ist, die vertrauten Pfade der Eröffnungsroutine zu verlassen, was viele Spieler mit ELO-Werten unter 1500 offenbar irritiert. (Ich selbst trat diesmal mit einem ELO von 1434 an, mein Gegner hatte 1475 ELO-Punkte.) Danach folgten 4. Sb1-c3 Sg8-e7 5. Sc3-b5.

Das sieht bedrohlich aus, denn nach 6. Sb5-c7 † droht der Verlust des Ta8. Der Bauer c7 muss also verteidigt werden, was nur durch den König möglich ist, mit Preisgabe der Rochade: 5. … Ke8-d8 6. Sb5-c3 Sc6-b4. Dies schien mir nötig, um der Dame einen Fluchtweg auf der 6er-Reihe zu eröffnen und 7. Sc3-d5 zu verhindern. 7. a2-a3 Df6-c6 8. Lc4xf7. Auch nach 7. Lc4-b5 hätte ich den Sb4 nicht mehr retten können. So aber kann ich immerhin mit einem Entwicklungszug dem Lf7 den Rückweg versperren: 8. … d7-d5 9. a3xb4. 9. … d5-d4. 10. Sf3xe5. Weiß hat einen Bauern und einen Springer kassiert und steht scheinbar deutlich auf Gewinn.

Aber jetzt findet die bedrohte Dame ein Feld, auf dem sie sich pudelwohl fühlt: 10. … Dc6-f6 – und im Handumdrehen sieht die Welt für Schwarz viel freundlicher aus. Drei weiße Figuren (Sc3, Se5 und Lf7) sind gleichzeitig angegriffen, nur der Läufer ist (noch) gedeckt. Weiß gerät unter Druck und greift mit der Dame ins Spielgeschehen ein: 11. Dd1-h5. Doch auch so ist der Se5 nicht mehr zu retten: 11. … g7-g6 12. Lf7xg6 h7xg6 13. Dh5-f3 Df6xe5 14. Sc3-a4. Nicht noch den zweiten Springer verlieren, sagt sich Weiß. Aber zur Ruhe kommt er auf a4 noch nicht: 14. … b7-b5 15. Sa4-c5 Se7-c6.

Weiß ist offenbar durch die überraschende Wendung des schon gewonnen geglaubten Spiels aus dem Gleichgewicht gebracht und meint, nun dringend etwas für die eigene Sicherheit tun zu müssen – ein verhängnisvoller Fehler: 16. 0-0. Vielleicht will der Gegner mich unbewusst auch damit ärgern, dass er mich jetzt daran erinnert, mir schon mit seinem 5. Zug die Rochade verbaut zu haben. Doch jetzt folgt 16. … De5xh2 matt. (Besser gewesen wäre z. B. 16. Sc5-d3 oder 16. d2-d3.) – Ein blinder Hahn findet auch mal ein Korn. Und seine Chancen steigen, wenn er sich vom zentralen Futtertrog des sehenden Geflügels fortbegibt. Wie lautet doch noch gleich mein Motto? Kleine Schritte weg von der Mitte.

[Titelbild von Wilhelm Busch aus Der Hahnenkampf. Zuerst erschienen in: Münchener Bilderbogen (1862).]