Interview mit a. p.

musil

Ihm sei „so zu Unmute“, dass er „in den Spiegel spucken“ möchte. So beschrieb Alfred Polgar seine Gemütsverfassung, nachdem er von Robert Musil ungefragt interviewt worden war. (Alfred Polgar: Was so ein Interviewer alles anstellt; in: Die literarische Welt, II. Jahrgang, Heft 11, 1926, S. 7; hier u. im Folgenden zit. nach Irrlicht. Kleine Schriften, Bd. 3. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2004, S. 367-369.)

Musil hatte zuvor, ebenfalls in der noch jungen Literarischen Welt des gleichfalls noch jungen Willy Haas, ein blitzgescheites Essay über den ihm so nahen und zugleich so fernen Caféhausliteraten veröffentlicht, sein Interview mit Alfred Polgar, das vieles in einem ist: Konfrontation, Schmeichelei, Infragestellung und Verbeugung vor einem mindestens gleichrangigen, aber doch so anders gearteten literarischen Phänomen – und zudem eine der klügsten Äußerungen dieser Zeit über die (wieder mal) noch so junge journalistische Gattung Interview.

Die beiden Texte sind, wenn man sie zusammen sieht, ein Glücksfall sowohl für die Musil- wie für die Polgarrezeption. Hier schlagen zwei grundkonträre Eggheads der Goldenen Zwanziger aneinander und der Ton, der dabei herauskommt, klingt lange nach, wenngleich – oder vielmehr gerade weil – er sich im Pianissimo entfaltet: allergediegenstes Edelmetall eben. Nicht umsonst hat Ulrich Weinzierl dieser Begegnung in seiner Polgar-Biographie ganze zwei Seiten eingeräumt.

Robert Musil beschreibt seine erste Begegnung mit Polgar, „auf einer Straße mit Bäumen, mitten in Wien“, durch eine Dame auf offener Straße vermittelt: „Ich konnte im Dunkel nicht mehr von ihm ausnehmen als eine schlanke Gestalt, die als jung auf mich wirkte, obgleich ich wußte, daß ich selbst um etliche Jahre jünger war […] und ich weiß auch durchaus nicht, wie er fortging, denn miteinemmal fehlte er ebenso rasch, wie er gekommen war.“ So Musil. Und der Satz, der sich daran anschließt, hat geradezu Ewigkeitswert: „So ist es bis heute geblieben.“

Alfred Polgar fühlte sich nach eigenem Bekenntnis, wenn man seiner kurzen Replik auf dieses „Interview“, das niemals geführt wurde, glauben darf, anschließend „wie auseinandergenommen und nicht mehr zusammenzusetzen, aufgetan, abgetan.“ Und zuvor schreibt er: „Der seelische Zustand, in den ein solches Interview versetzt, ist analog dem körperlichen, der sich einstellt, wenn man künstlich zum Erbrechen gereizt wird.“ Für den Gereizten mag dies ja überaus unangenehm sein. Uns Zuschauern des Vorgangs beschert er aber, wie auch schon das vorhergehende Kitzeln mit bunter Feder in der Kehle des Opfers, ein überaus reizvolles, nuancenreiches Farbenspiel.

3 Responses to “Interview mit a. p.”

  1. Günter Landsberger Says:

    Treffend auch das von Musil zitierte, auf Alfred Polgar gemünzte Wort: “Filigranit”.

  2. Matta Schimanski Says:

    Ja, wattennu? Wurde das Interview nun geführt oder nicht?

  3. Revierflaneur Says:

    Ein bisserl Rätselhaftigkeit soll ja nun doch noch bleiben. Schließlich will ich den Leser animieren, die beiden Meisterwerklein im Original nachzulesen. Da kann ich doch nicht alles verraten.

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