Svensson

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Die schwedische Stadt Västerås ist Kulturbanausen allenfalls durch die vor zwei Jahren dort ausgetragene Weltmeisterschaft im Gummistiefelweitwurf ein Begriff. Gebildetere Zeitgenossen wissen, dass dort am 17. Mai 1936 der Schriftsteller Lars Gustafsson das Licht der Welt erblickte. Ich habe seinen fünfbändigen Romanzyklus Die Risse in der Mauer vor vielen Jahren gern gelesen und dabei erstmals wahrgenommen, dass ich ein Melancholiker bin.

Gustafssons deutsche Leser haben das große Glück, in Verena Reichel auf eine tatsächlich kongeniale Übersetzerin aus dem Schwedischen vertrauen zu dürfen. Und so liegen auch die naturgemäß schwer zu übersetzenden Gedichte dieses großen Melancholikers in tadellosen deutschen Übertragungen vor.

Västerås hatte bis vorgestern aber noch einen weiteren großen Sohn, dessen Lebenswerk keiner Übersetzung bedurfte: Esbjörn Svensson. Mit seinem Trio e.s.t. hat der brillante Pianist seit 1990 der Welt des Jazz viele neue, begeisterte Fans verschafft, wenngleich die Hardliner unter den Anhängern dieser Musikrichtung, wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht, bezweifelten, dass die Töne, die Svensson und seine Gefährten Dan Berglund am Bass und Magnus Öström am Schlagzeug ihren Instrumenten entlockten, überhaupt noch Jazz seien.

Von Lars Gustafsson aus Västerås gibt es ein (von Verena Reichel übersetztes) Gedicht, Über das Verhältnis zur Musik. Das lautet so: „Ich stelle mir eine völlig geschlossene Kugel vor. // Diese geschlossene Kugel enthält etwas. // Ein starkes Magnetfeld ordnet Eisenspäne zu Mustern. // Durch kompakte Wände hindurch. // So benutze ich Musik, // und es weiß weder die Musik noch ich, / womit wir da eigentlich umgehen.“ (Lars Gustafsson: Die Stille der Welt vor Bach. Gedichte. München Wien: Carl Hanser Verlag, 1982, S. 41.)

Vorgestern ist Esbjörn Svensson beim Tauchen im Schärenhof bei Stockholm im Alter von nur 44 Jahren ertrunken. Eine große musikalische Seele ist endgültig verstummt. Ich trauere um die nie mehr zu hörenden melancholischen Töne der Zukunft, die uns ein sinnloses Schicksal für alle Zeit vorenthalten hat. Die geschlossene Kugel ist auf den Grund gesunken.

2 Responses to “Svensson”

  1. Günter Landsberger Says:

    Den Gedichtband “Die Stille der Welt vor Bach” kenne und besitze ich seit seinem Erscheinen. Gerade das Titelgedicht gefällt mir und noch ein paar andere auch.

  2. Revierflaneur Says:

    INVITATION
    Memorial Celebration
    Celebrating the Life and Work of Esbjörn Svensson

    8 July 2008
    Dear fans & friends from around the world,

    There are no words that describe the loss of our beloved friend Esbjörn.

    Our grief is beyond belief.

    We feel blessed and truly thankful to have shared the life and music with him. Unfortunately the journey we have made together ended much too early. We have done a million things together but there was so much more to do! Just a few days ago we were down in the basement of Esbjörn’s house rehearsing some new songs for the upcoming US/Canadian tour.

    We are totally overwhelmed by the love, sympathy, hugs and thoughts that you have submitted to us from all over the world. Thank you so much for sharing these horrible times with us. The only soothing thought right now is, that from your sympathy we can figure that our music has reached and touched a lot of people.

    No one knows what the future would have held for us, but the one thing we know for sure is, that the memory and the music of Esbjörn Svensson will outlive us all.

    Yours sincerely

    Magnus Öström & Dan Berglund,
    Åke Linton (sound), Anders Amrén (light), Burkhard Hopper (manager), Siegfried Loch (ACT Music)

    The Memorial Ceremony will be held at:

    8 July 2008
    19:30 h
    Hotel Rival
    Mariatorget 3
    118 91 Stockholm

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