Archive for June 6th, 2008

Eccentrics (II)

Friday, 06. June 2008

bah

Der Großmeister des Interviews, André Müller, hat einmal als selbst Interviewter bekannt, dass er sich in Gespräche zwischen Irren besser hineinfinden könne als in die meisten Unterhaltungen der vorgeblich geistig Gesunden: „Im Irrenhaus würde ich mich wahrscheinlich wohlfühlen. […] Nicht unbedingt in der Art, wie man dort eingesperrt ist; nicht die Ärzte. Aber ich hab, wenn ich so manchmal Filme über Irre sehe, die miteinander sprechen, das stimmt ja völlig, die reden ja keinen … das schaut immer so wie Unsinn aus, aber im Grunde ist das ein irrsinnig stimmiger Dialog, und in den würde ich mich immer sehr gerne einklinken. Also, da könnte ich ganz gut mitreden. So muss ich halt immer schaun, dass man immer … also meine Lebensleistung ist, ein normales Bild nach außen abzugeben. Das ist meine größte Schwierigkeit.“

Eine sehr ähnliche Aussage fand ich kürzlich bei Philip K. Dick: „Die grundlegende Voraussetzung, die all meine Kurzgeschichten beherrscht, ist, daß ich, würde ich je eine extraterrestrische Lebensform (besser bekannt unter der Bezeichnung ,kleine grüne Männchen‘) kennenlernen, feststellen müßte, daß ich mit ihr mehr zu reden wüßte als mit meinem Nachbarn. Was die Leute in meiner Straße tun, ist, ihre Zeitungen und ihre Post hereinzuholen und mit ihren Autos wegzufahren. Im Freien gehen sie keiner anderen Beschäftigung nach, als ihren Rasen zu mähen. Einmal ging ich nach nebenan, um zu sehen, womit sie sich im Haus beschäftigten. Sie sahen fern.“ (Philip K. Dick: Afterthought by the Author; hier zit. nach ders.: Black Box. Frankfurt am Main: Haffmans Verlag bei Zweitausendeins, 2008, S. 625.)

Auch André Müllers Schwierigkeit ist Dick vertraut: „Ich hatte eine Heidenangst, das Universum könnte entdecken, wie anders ich eigentlich war. Ich hatte den Verdacht, daß es irgendwann die Wahrheit über mich herausfinden und vollkommen normal darauf reagieren würde: Es würde mich kriegen. Ich hatte nicht das Gefühl, es sei bösartig, nein, bloß scharfsichtig. Und es gibt nichts Schlimmeres als ein scharfsichtiges Universum, wenn man ein bißchen sonderbar ist.“ (Dick, a. a. O., S. 633.)

Solche Vorstellungen und Ängste sind mir nur zu vertraut. Manchmal denke ich, dass ich sofort weggesperrt würde, wenn man meine Gedanken lesen könnte.

Aber die Gedanken sind frei. Und so scharfsichtig ist das Universum noch nicht, dass es sie erraten könnte.