Archive for May 18th, 2008

Heftig

Sunday, 18. May 2008

Alle paar Jahre überraschen mich meine Söhne mit einem neuen Adjektiv zur modischen Bekräftigung ihrer Begeisterung oder Entrüstung – wobei nicht immer trennscharf zwischen diesen gegensätzlichen Gemütsbewegungen zu unterscheiden ist.

Ob „geil“ oder „cool“ oder „krass“ – unsereiner kann selbst aus dem Vergleich des jeweiligen kontextuellen und situativen Umfelds keine Schlussfolgerungen auf die präzise Bedeutung dieser jugendsprachlichen Modewörter ziehen.

„Voll peinlich“ finden die Nachwachsenden es, wenn wir Gruftis solche Vokabeln in unseren altertümlichen Sprachschatz übernehmen. Das kann ich gut verstehen, oder, um ein Modewort aus meiner Jugend zu gebrauchen: nachvollziehen. Solche linkischen Anbiederungsversuche der Elterngeneration nötigten mir auch allenfalls ein müdes Lächeln ab, als ich im Alter meiner Söhne war.

Jemand aus der Großvätergeneration, der das noch nicht begriffen zu haben scheint, kündigt nun an, die Welt in Bälde mit einer „heftigen Rede“ aus den Fugen bringen zu wollen. Sein Name? Osama bin Laden, Jahrgang 1957. Da klingeln mir doch die Ohren. Finden nicht meine Söhne seit einigen Monaten so allerlei „ziemlich heftig“?

Aber vermutlich handelt es sich hier um einen Übersetzungsfehler – oder der Autor des Spon-Artikels ist ein Praktikant, Jahrgang 1987. Ich persönlich werde das Adjektiv „heftig“ jedenfalls auch künftig nur in einem einzigen kontextuellen und situativen Umfeld gebrauchen: wenn es verhältnismäßig stark regnet.

Achtzüger

Sunday, 18. May 2008

Neulich gelang mir in der Schacharena als Schwarzer ein Matt in nur acht Zügen, gar gegen einen Kontrahenten mit höherer ELO-Zahl. Ich begnete dem Königsspringerspiel

1. e2 – e4 1. e7 – e6

2. Sg1 – f3

mit der Philidorverteidigung

2. d7 – d6,

benannt nach dem berühmten französischen Schachtheoretiker François-André Dancian Philidor (1726 – 1795). Die übliche Erwiderung hierauf wäre 3. d2-d4 gewesen, aber mein Gegner zog stattdessen

3. Lf1 – c4.

Dies hat, wie ich später nachlas, ein gewisser Rodzinski 1913 in Paris gegen den späteren Weltmeister Aljechin versucht, und wie Letzterer antwortete ich mit

3. Sb8 – c6.

Statt nun aber wie seinerzeit Rodzinski mit 4. c2 – c3 fortzusetzen, spielte mein Gegner den Damenbauern:

4. d2 – d3.

Anschließend zeigte sich wieder einmal, wie perplex routinierte Spieler werden können, wenn die in grauer Theorie ausgetretenen Pfade verlassen werden:

4. Sg8 – f6

5. Sf3 – g5 5. Sf6 – g4

6. Sg5 x f7 6. Dd8 – h4

7. g2 – g3 7. Dh4 – f6

8. Sf7 x h8 8. Df6 x f2 matt.

Einerseits schade, denn es hätte mich schon interessiert, wie die Partie nach einem sinnvolleren weißen Zug wie 8. f2 – f3 weitergegangen wäre.

Andererseits freut einen ja ein solcher Husarenstreich abseits der Hauptkampflinien doch über alle Maßen. Dilettantenschach ist in seltenen Glücksfällen und auf unerforschten Nebenwegen wie diesem gelegentlich amüsanter als das schnurgerade Spiel der Großmeister.

[Diesen Beitrag widme ich Gerd Gockel-Feldmann.]