Archive for April 16th, 2008

zipperlein

Wednesday, 16. April 2008

verdankt sich diese beobachtung bloß einem gehässigen, gar frauenfeindlichen vorurteil, oder ist es wirklich so? bloggerinnen neigen dazu, in ihren web-tagebüchern ihre jeweils aktuellen körperlichen missbefindlichkeiten zum hauptthema zu machen. ein roter blutfaden, der sich durch ihre alltäglichen textergüsse zieht. ein markenzeichen zugleich kränkelnder und aufbegehrender weiblichkeit?

das erprobte und offenbar grenzenlos belastbare stilmittel dieser hypochondrischen egomanien ist die komische übertreibung. wenn frau in ein wimpernzucken den unmittelbar bevorstehenden schlaganfall hineinimaginiert, hat frau die lacherinnen offenbar mühelos auf ihrer seite.

liegt es an mir, dass mir beim lesen solcher femininen jammerarien mit dem touch schicksalsergebener ironie immer wieder kein besseres vorbild in den sinn kommt als ephraim kishon, der den von theodor lessing diagnostizierten jüdischen selbsthass zum literarischen kabarettprogramm hinabstilisierte?

otto weininger zaubere ich jetzt mal nicht aus dem zylinder, sonst müsste ich die geschichte erzählen, wie ein nachmalig in der gefängniszelle durch selbstmord endender karrierearzt a., der ein paar patienten durch giftspritzen aus der welt befördert hatte, um deren plötzlichen tod seinen kollegen in die schuhe schieben zu können, sich mal bei mir, dem buchhändler, beschwerte, dass es die neuauflage von ‚geschlecht und charakter‘ bei matthes & seitz nicht in leinen gab, mit den worten: „ich kaufe die wurst beim metzger doch auch nicht ohne pelle!“ zwar würde dies vielleicht interessanter sein als die unterleibsgeschichten der bloggerin b., aber doch zu weit vom thema wegführen.

das thema ist und die frage lautet: was wollen uns die evastöchter mit ihren in weblogs und auch anderswo so überaus zahlreich bekundeten körperlichen leiden, die sie im gleichen atemzug als nicht ernst zu nehmende wehleidigkeiten diskreditieren, eigentlich sagen?

Papstreise

Wednesday, 16. April 2008

Der Katholik Joseph Ratzinger hat seine morgige Geburtstagsparty ins Weiße Haus verlegt. Der Protestant George W. Bush, Haupttäter des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen den Irak, holte ihn soeben höchstpersönlich in Begleitung von Ehefrau Laura und Tochter Jenna von der Andrews Air Force Base in der Nähe von Washington D. C.  ab – eine Ehre, die der 43. Präsident der USA bisher noch keinem Staatsgast zuteil werden ließ.

Im Weißen Haus wird der Papst an seinem 81. Geburtstag mit militärischen Ehren im Land der Waffennarren und der Todesstrafe empfangen. Nahezu zwölftausend Gäste sind zu einem Festessen auf dem grünen Rasen geladen. Auf der Speisekarte des Galadinners stehen bayerische Spezialitäten. Da dürften dann wohl solche Schmankerln kredenzt werden wie weißer Presssack, Altmühltaler Weidelamm und Allerseelenzopf, auch Seelenspitzen genannt.

Der Pontifex selbst nimmt an dem Festschmaus zu seinen Ehren aber gar nicht teil, sondern feiert derweil lieber einen Vespergottesdienst mit den Bischöfen des Landes in der Basilica of the National Shrine of the Immaculate Conception. Einig sind sich Bush jun. und Ratzinger in ihrer Ablehnung der Abtreibung und der embryonalen Stammzellenforschung. Der Papst ist übrigens auch entschiedener Gegner des sexuellen Missbrauchs minderjähriger Messdiener durch katholische Geistliche, eine sehr verbreitete Folgeerkrankung des Zölibats, für die in den letzten Jahren in den USA Entschädigungszahlungen an die Opfer in Milliardenhöhe fällig wurden. (George W. Bush, als reformierter Christ, muss dazu ja gottlob keine Meinung haben.)

Der erste USA-Besuch von Benedikt XVI. endet am kommenden Sonntag. Vor seinem Rückflug nach Rom wird er um halb zehn Uhr New Yorker Ortszeit an Ground Zero für die Seelen der Opfer des Anschlags vom 11. September 2001 beten. Wir vertrauen darauf, dass er die noch weit zahlreicheren, indirekten Opfer dieses abscheulichen Verbrechens an anderen Orten der Welt, in Afghanistan etwa und Irak, in seine Fürbitte mit einschließen wird.

Auch vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen wird Ratzinger auftreten und dort am Freitag eine programmatische Rede halten. Seine Vorgänger Paul VI. und Johannes Paul II. besuchten den Glaspalast traditionell im Herbst (der Jahre 1965, 1979 und 1995). So hatte es ursprünglich auch Benedikt XVI. geplant, doch seine Ratgeber empfahlen ihm, die Reise vorzuverlegen, um nicht in Versuchung zu kommen, Einfluss auf die Präsidentschaftswahl am 4. November zu nehmen. Man weiß ja seit Regensburg, wie schnell sich der Papst verplappert. Nicht auszudenken was geschähe, wenn ihm auf die Frage, ob er nun für Clinton oder Obama sei, ein unbedachtes „tertium datur“ über die Lippen käme.